Bücher über Füchse : Boulevards sind ihm nicht fremd
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Bis zum Handschuh auf dem Speiseplan bringt es zwar selbst dieser Nahrungsgeneralist nicht, aber Sinn für Fundstücke hat er: Rotfuchs (Vulpes vulpes) im Yukon, Kanada Bild: imageBROKER/Peter Zenkl / VWPics
Kosmopolit im Pelz: Er ist in mehr als achtzig Ländern heimisch und lebt inzwischen sogar in der Stadt. Zwei Bücher nehmen den Fuchs aus verschiedenen Perspektiven in den Blick.
Seit der Antike spielt der Fuchs nicht nur in der Natur eine wichtige Rolle, sondern auch in der Kulturgeschichte. Äsop machte ihn mehrfach zur Hauptfigur seiner Fabeln, Peter Paul Rubens bannte ihn in dynamischer Pose auf die Leinwand, Machiavelli empfahl ihn neben dem Löwen jedem erfolgreichen Fürsten als Vorbild. Inzwischen hat es der Fuchs sogar zum Trendtier gebracht, er findet sich auf T-Shirts und Schreibblöcken, Tassen und Handyhüllen. Aus Kinderbüchern ist er sowieso nicht mehr wegzudenken.
Insofern leuchtet es ein, dass die britische Ökologin Adele Brand ihre Monographie mit der Aufforderung beginnt: „Stellen wir uns einen Fuchs vor.“ Klingt einfach, ist aber heikel, denn den einen Fuchs gibt es nicht. Manche kennen ihn als humanistischen Gesellen aus Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“, andere als ambivalenten Strolch aus Roald Dahls „Der fantastische Mr. Fox“. In Saša Stanišićs Roman „Vor dem Fest“ hat der elegante Räuber genauso seinen Platz wie im Logo der Hiphop-Combo Absolute Beginner, deren Mitglieder sich als Füchse stilisieren. All diese Varianten sind Versuche metaphorischer Selbstreflexion. Wie vielschichtig dieses Unterfangen geraten kann, zeigt die Radiojournalistin Katrin Schumacher in ihrem reich bebilderten Band, der eine gute Ergänzung zu Brands biologischem Zugang darstellt.
Auch Naturwissenschaftler haben ein bestimmtes Bild vom Fuchs, das vor einigen Jahrzehnten ins Wanken geraten ist, als er sich in unseren Städten ausbreitete, dort vom Jäger zum Sammler wurde und viel kleinere Reviere beanspruchte als im Wald. Die Raubtiere auf großen Boulevards und öffentlichen Plätzen anzutreffen ist Brand zufolge eine „Herausforderung für unsere Vorstellung von Normalität“. Dabei gilt der Rotfuchs (Vulpes vulpes) – von ihm reden wir in der Regel, wenn wir „Fuchs“ sagen – als kosmopolitischer Generalist. Er ist in mehr als achtzig Ländern heimisch, gehört zur Familie der Hunde, bewegt sich aber so geschmeidig wie eine Katze. Als Nahrungsopportunist gibt er sich mit Mäusen ebenso zufrieden wie mit Beeren. In Städten durchwühlt er auf der Suche nach Futter gerne Mülleimer. Ein Doppel-Cheeseburger mit Pommes deckt seinen Tagesbedarf an Kalorien.
Ästhetisch anspruchsvolle Auftritte
Bis heute bereitet es Biologen Schwierigkeiten, eine belastbare Taxonomie der Gattungsgruppe Echter Füchse zu erstellen. Funde lassen vermuten, dass sich die Tiere vor rund neun Millionen Jahren in Nordamerika entwickelt haben. In Eurasien tauchte der Fuchs laut Schumacher vor zweieinhalb Millionen Jahren auf; Brand hebt dagegen hervor, er habe schon vor 3,4 Millionen Jahren in Ungarn gelebt. Das Tier entwindet sich mithin dem wissenschaftlichen Zugriff und lässt Interpretationsspielräume. Womit wir, wie Schumacher findet, bei seinem vielleicht wichtigsten Charakteristikum wären: „Die füchsische Ereignishaftigkeit besteht nicht nur darin, dass er sich im Gelände durch sein Geschick in Flucht und Flüchtigkeit auszeichnet, spurlos und plötzlich erscheint und dort einen Fluchtweg findet, wo es keinen gibt, sondern auch darin, dass er in den uns vertrauten Kategorien eine diskontinuierliche Erscheinung ist.“