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Neues zur Relativitätstheorie : Verstehen Sie Einstein?

Einstein in seinem Berliner Arbeitszimmer, 1921 Bild: Picture-Alliance

Vor hundert Jahren wurde die Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlicht. Wer sie auch ohne Physikstudium in Grundzügen begreifen will, schlägt am besten bei ihrem Urheber selbst nach. Zwei Neuerscheinungen helfen dabei.

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          Der britische Astrophysiker Sir Arthur Eddington wurde einer Forscheranekdote zufolge einmal gefragt, ob es denn stimme, dass es auf der Welt nur drei Menschen gibt, die Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie verstehen. Darauf soll Eddington mit einer Gegenfrage geantwortet haben: „Wer ist denn der dritte?“

          Ulf von Rauchhaupt
          Redakteur im Ressort „Wissenschaft“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          In seiner Speziellen Relativitätstheorie war es Einstein im Jahr 1905 gelungen, Ungereimtheiten zwischen Elektrodynamik und Newtonscher Mechanik durch eine Neuinterpretation der Begriffe von Raum und Zeit zu beseitigen. Ein Jahrzehnt später hatte er diesen Ansatz zu einer umfassenden Theorie der Schwerkraft ausgebaut: die Allgemeinen Relativitätstheorie. Ihre mutmaßliche Unverständlichkeit trug fraglos zu Einsteins Erhebung zum Jahrhundertgenie im Jahr 1919 bei, in das obige Anekdote sicher nicht zufällig oft datiert wird.

          Da hatten Beobachtungen von Sternpositionen während einer Sonnenfinsternis die zweite empirische Stütze der Theorie geliefert und ihren Schöpfer über Fachkreise hinaus berühmt gemacht. Die erste Stütze freilich, den korrekten Wert einer mit der Newtonschen Physik nicht erklärbaren Bahnverschiebung des Planeten Merkur, hatte Einstein selbst abgeleitet, als er die Theorie im November 1915 in vier Beiträgen zu den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften vorstellte. Der vierte erschien am 25. November 1915, vor genau hundert Jahren.

          Vermutlich größte wissenschaftliche Einzelleistung der Neuzeit

          Dass die vier Veröffentlichungen jenes Novembers eine früher publizierte Version der Theorie verwarfen und sich zudem von einem Akademie-Termin zum nächsten korrigierten, mag zu dem Unverständlichkeits-Mythos beigetragen haben. Ebenso der dahinterstehende Umstand, dass Einstein sein Geniestreich alles andere als leichtgefallen war und er in den insgesamt acht Jahren der Arbeit daran allergrößte konzeptionelle und vor allem mathematische Schwierigkeiten hatte überwinden müssen. Die präsentierte Theorie wurde schnell und durchaus nicht nur von Eddington rezipiert. Bereits im Februar 1916 konnte der Astronom Karl Schwarzschild erste exakte Lösungen der neuen Gleichungen veröffentlichen.

          Aber wie steht es mit den interessierten Laien? Haben die eine Chance, diese vermutlich größte wissenschaftliche Einzelleistung der Neuzeit zu verstehen? Es kommt darauf an. Die Theorie anzuwenden, also etwa ihre Konsequenzen für das Verhalten von Licht oder Materie in sehr starken Gravitationsfeldern zu untersuchen, das bleibt sicher denen vorbehalten, die sich zuvor in Differentialgeometrie und Tensoranalysis eingearbeitet haben. Doch die Grundzüge der Theorie, warum sie notwendig war und worin sie sich konzeptionell von der Newtons unterscheidet, kurz alles, was man wissen muss, um ihre naturphilosophische Bedeutung zu ermessen, das ist durchaus auch Laien zugänglich. Denn dafür hat Einstein selbst gesorgt. Bereits 1916 verfasste er ein schmales Büchlein mit dem Titel „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie (Gemeinverständlich)“. Es erscheint mittlerweile in der 24. deutschen Auflage und wurde in alle bedeutenden Sprachen übersetzt. Nun, zum hundertsten Geburtstag der Theorie ist es (vorläufig leider nur auf Englisch) in einer kommentierten Ausgabe erschienen.

          Darin haben Hanoch Gutfreund von der Hebräischen Universität Jerusalem und Jürgen Renn vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin Einsteins Text einen ausführlichen „Lesebegleiter“ beigefügt. Dieser bietet einerseits eine Führung durch die Entwicklung von Einsteins Vorstellungen zu Raum, Zeit und Schwerkraft und kann dabei auf die neusten wissenschaftshistorischen Forschungsergebnisse zurückgreifen, zu denen die Autoren selbst beigetragen haben. Andererseits erleichtern ihre Kommentare durch ihre paraphrasierenden und gliedernden Abschnitte die Lektüre von Einsteins Text auch inhaltlich.

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