Wendewundergeschichte für Kinder : Was erzählt denn dieser Schabowski?
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Bild: Klett Kinderbuch
Küchenstreit über die Zukunft der DDR, Montagsdemo-Kerzenschein und eine verschlafene Novembernacht: Hanna Schott beschert Fritzi aus Leipzig eine Wendewundergeschichte für Kinder.
Ein Land, das ist nicht wie ein Kino, das alle verlassen können, wenn ihnen der Film nicht gefällt. Sagt Papa. Der bleibt zu Hause, und Mama geht demonstrieren. Weil sie Ärztin ist, nimmt sie vorsichtshalber eine Tasche mit Heftpflaster und Verbandszeug mit. Und einmal auch Fritzi, an einem Montagabend, zum Friedensgebet in die Leipziger Nikolaikirche.
Dann dauert es nicht mehr lange, bis eines Morgens der Vater an Fritzis Bett tritt und sagt: „Wir fahren nach München!“ Da ist über Nacht ein Wunder geschehen: Die Mauer ist gefallen. Fritzis Eltern allerdings haben geglaubt, dass „der Schabowski“ im Fernsehen Unsinn gesagt hat. Und deshalb legten sie sich schlafen, statt, wie viele andere, noch in der Nacht des 9. November in den Westen zu fahren, wo auch Fritzis Oma lebt.
Sie ist eben nicht überall dabei
Vielleicht stimmt der Titel „Fritzi war dabei“ von Hanna Schotts „Wendewundergeschichte“ umso mehr, als Fritzi eben nicht überall dabei ist oder gar vorneweg marschiert. Schotts Ich-Erzählerin ist keine Ausnahmefigur, sondern mittendrin, ein Kind von vielen, im Herbst 1989. Umso eindringlicher wirkt ihre Schilderung jener wenigen Wochen, in denen der DDR-Alltag Risse bekommt und das Wunder der veränderten Verhältnisse in das Leben der Viertklässlerin eindringt. Klassenkameraden sind mit den Eltern nach Budapest geflohen, und Fritzi fragt sich, warum das Schuljahresmotto „Meine Liebe, meine Tat meiner Heimat DDR“ genauso klingt wie im Jahr davor. Schal. Die Eltern sind nicht einer Meinung darüber, wie es mit der DDR weitergehen soll. Fritzi hört sie am Küchentisch streiten. Gleichzeitig fühlt sie den Sog der Ereignisse auf der Straße, während sie das eigentlich verbotene „Westfernsehen“ schaut.
Man merkt, dass die Autorin mit einigen, die 1989 Kinder waren, gesprochen hat, wie sie in einem klugen Nachwort schreibt. Dort erst wird auch erklärt, wer „der Schabowski“ ist und was „Stasi“ bedeutet. Begriffe, die unvermittelt im Text auftauchen, was zwar misslich, aber verständlich ist. Denn Schotts so persönlich und direkt erzählte „Wendewundergeschichte“ entwickelt durch den Blick des Kindes große Spannung und ist fern von jedweder Nostalgie. Die Leipziger Illustratorin Gerda Raidt, die beim Fall der Mauer gerade mal 14 Jahre alt war, zeigt uns die blonde Fritzi mit den langen, dünnen Beinen vor vom Braunkohlegrau verhangenen Fassaden, im hellen Schein der Montagsdemo-Kerzen. Schlicht und präzise in den Details, verleiht sie doch selbst dem Grusel der Stasi noch einen gewissen Witz: Da steht das Klischee eines Spions in Trenchcoat und Sonnenbrille, von Fritzi skeptisch gemustert. Ihrer Mutter malt Fritzi ein Plakat, auf dem steht: „Ein Land ohne Mauer, da ist keiner sauer“. Ein paar Gründe, sauer zu sein, gebe es immer, schreibt Schott zuletzt - aber noch mehr Gründe, froh zu sein.