Das Bilderbuch „Hunde im Futur“ : Große Klappe, hurra!
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Sprache ist wärmsten Gefühlen nicht gewachsen? Ach was! Im Band „Hunde im Futur“ lässt sich Grammatik auch an Antworten auf den Satz „Ich liebe dich“ erläutern. Bild: Susanna Rieder Verlag
Das Bilderbuch „Hunde im Futur“ bringt Kindern spielerisch Grammatik bei. Dank des Klappenprinzips ist die Lektüre wie ein großes Spiel: Aus Überraschung entsteht Lerneffekt.
Bevor überhaupt die große Besonderheit dieses Bilderbuchs gewürdigt wird, muss eine kleine erwähnt werden, die mit der großen unmittelbar zusammenhängt: Zu den vier Verfassern von „Hunde im Futur“ wird auch Carsten Aermes gezählt. Er hat nichts mit dem Text zu tun (der stammt von den Geschwistern Rieder, die vor vier Jahren als Übersetzer und Verleger der hinreißenden Bildergeschichte „Der Bandit mit dem goldenen Colt“ auf sich aufmerksam machten) und auch nichts mit den Illustrationen (die verantwortet in ihrem Bilderbuchdebüt Arinda Crăciun), aber Aermes sorgt dafür, dass Text und Illustrationen aufs schönste zusammenkommen. Und sich dabei zu weitaus mehr ergänzen als der Summe ihrer Teile, denn Carsten Aermes ist der Gestalter von „Hunde im Futur“ und damit entscheidender Formgeber für eine ebenso ungewöhnliche wie überfällige Grammatikfibel.
Überfällig, weil überall in den Familien Klagen über Sprachverfall in den Schulen zu hören sind. Welches Kind wüsste denn heute noch, was ein Adverb ist, welches in Konjunktiv oder Plusquamperfekt zu sprechen? Das wäre entbehrlich, hört man regelmäßig von Bildungspolitikern und leider bisweilen auch von Lehrern, weil es mehr um breitenwirksame Sprachvermittlung im Unterricht ginge als um Präzision. Dass korrekter Sprachgebrauch immer noch ein Aufstiegs- und Machtinstrument darstellt, wird gar nicht geleugnet, aber das Wissen darum scheint zu einer pädagogischen Haltung beizutragen, die lieber alle gleich schlecht ausgebildet sehen will als alle gleich gut. Das ist ja auch bequemer. Es ist allerdings auch kontraproduktiv, denn wer wohlsituiert aufwächst, wird leichter kompensiert bekommen, was ihm die Schule vorenthält. Die Dummen bleiben die Schlechtergestellten. Grammatikkenntnisse sind von sozialpolitischer Bedeutung.
„Hunde im Futur“ will sie vermitteln, und es wählt fürs Lernen ein spielerisches Element. Mittel der Wahl dabei ist die Klappe. Nicht die große Klappe von Angebern, die ihren Altersgenossen nach der Lektüre lateinische Bezeichnungen von Wortgruppen und Zeitformen wie Substantiv oder Präteritum um die Ohren hauen können, sondern die Klapptafel. Jede Doppelseite im Buch bietet eine, und hinter den Klappen verbergen sich illustrierte Erklärungen zu den jeweils behandelten grammatischen Fragen. Beim Substantiv etwa werden Numerus, Genus und Casus bildlich vorgeführt, aber auch die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Substantiven – na, welcher erwachsene Leser hätte es sofort gewusst? Crăciun wählt als Beispiel fürs konkrete Substantiv einen Picknickkorb, fürs abstrakte dagegen die Liebe und zeigt dazu ein zärtliches Paar auf einer Picknickdecke im Freien.
Oder beim Futur: Da werden Sprachaufbau und -gebrauch mittels der titelgebenden Hunde erläutert. „Hier entsteht eine Hundeschule“, hebt der Abschnitt in noch zugeklapptem Seitenzustand an, ehe dann nach dem Aufklappen Futur I – „Joy wird aufhören mit Schnappen“ – und Futur II – „Wenn Gepetto alles gelernt haben wird, wird er sehr hungrig sein“ – vorgeführt werden, jeweils zu entsprechenden Illustrationen. Und eine alltagspraktische Relativierung findet sich auch: „In der gesprochenen Sprache verwendet man statt des Futurs meistens einfach Präsens.“ Was Präsens ist, wissen die jungen Leser schon dank der Vorseiten. Und einen Beispielsatz gibt es dazu auch: „Morgen gehe ich nicht in die Hundeschule“, träumt ein schlafender Hund.
Den Schulbesuch erspart „Hunde im Futur“ natürlich nicht, aber es dürfte ihn wirksam vorbereiten und unterstützen. Dank des Klappenprinzips ist die Lektüre tatsächlich wie ein großes Spiel: Aus Überraschung entsteht Lerneffekt. Allerdings kostet das Buch herstellungsbedingt fünfundzwanzig Euro, kein Pappenstiel. Also wieder nur etwas für Bessergestellte? In Frankreich gibt (Präsens) es in einigen Departements den schönen Brauch, allen dortigen Neugeborenen eines Jahres dasselbe Kinderbuch zu schenken. Wie wäre (Konjunktiv) es mit einem solchen Buchgeschenk für alle Drittklässler in Deutschland? Einem, das sie heranführte nicht nur an den richtigen, sondern auch an einen vergnüglichen, weil lustvoll vermittelten Sprachgebrauch? Es gäbe da einen geeigneten Titel.
Susanna & Johannes Rieder, Arinda Crăciun und Carsten Aermes: „Hunde im Futur“. Eine Grammatik in Bildern. Susanna Rieder Verlag, München 2021. 128 S., geb., 25,– €. Ab 8. J.