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Louise Bourgeois im Bilderbuch : Ein Mädchen näht die Welt neu

Amy Novesky, Isabelle Arsenault: „Lied für Louise“. Verlag Seemann Henschel, Leipzig 2016. 40 S., geb., 16,95 €. Ab 8 J. Bild: Verlag Seemann Henschel

Louise Bourgeois hob den Unterschied zwischen Handwerk und Kunst auf. Mit ihrem Bilderbuch „Lied für Louise“ danken Amy Novesky und Isabelle Arsenault ihr sehr schön dafür.

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          Ein Bilderbuch über das Leben und Schaffen einer Künstlerin, die Bilder und Skulpturen schuf, deren Wirkung auf die Kunstgeschichte den Unterschied zwischen Handwerk und Kunst neu bestimmt hat - ist das eine gute Idee? Darf so ein Buch eigene Zeichnungen an die Stelle der Werke der Künstlerin setzen, um die es geht, visuelle Nacherzählungen sozusagen?

          Dietmar Dath
          Redakteur im Feuilleton.

          Wer einen Pop-Song über die Beatles schreiben oder einen Film über Alfred Hitchcock dreht, muss achtgeben, dass das Ergebnis gegenüber dem, was da besungen oder filmisch ausgeleuchtet wird, nicht zur Anmaßung oder Ranschmeißerei missrät. Den strengen Maßstab setzt in solchen Fällen der Gegenstand.

          Die Nähte zwischen den Ebenen

          Das Bilderbuch „Lied für Louise“ über „das bunte Leben des Louise Bourgeois“, mit dem der Untertitel winkt wie mit einem kecken Fähnchen, nimmt es mit einer Titelheldin auf, die auch gezeichnet und gemalt hat, darüber hinaus aber mit Textilien und Metall, mit Nadel, Faden und Garn den Fundus der Mittel, die man in der Moderne für geeignet hielt, etwas namens Kunst zu erzeugen, entscheidend erweitert hat.

          Die Kindheits- und Werkstattlandschaften, die uns die Illustratorin zeigt, ihre Materialtafeln und Musterkoffer-Schaustücke gehen, das hat sie sehr klug eingerichtet, nirgends einfach nahtlos in die Proben der Kunst von Louise Bourgeois über, die der Band ausschnittsweise darbietet, sondern zeigen im Gegenteil sehr bewusst gerade die Nähte zwischen den verschiedenen Bild- und Erzählebenen, die hier von Belang sind: Leben und Werk, Gegenständlichkeit und Abstraktion, Traum und Gestaltung.

          Tatsachen des Lebens selbst

          Auch der sparsame, aber beredte Text von Amy Novesky kennt solche Nähte; sie werden ebenfalls nicht verborgen, sondern offen angezeigt vom unscheinbaren Wörtchen „wie“: Ein Fluss schlängelt sich „wie ein loser Wollfaden“ durchs Land, die Nadel der Mutter geht bei der Handarbeit „wie die Wellen“ des Wassers auf und ab, und die Mathematik, der sich Louise Bourgeois in jungen Jahren eine Weil lang verschreiben wollte, bietet leider „wie das Leben“ keine absolute Sicherheit.

          Von einem Mädchen, das sehr alt wurde, ohne seine Blickbeweglichkeit zu verlieren, von der Beziehung dieser Person zur eigenen Mutter und allem, was vor ihr da war, aber auch davon, was von ihr selbst bleibt, handelt der Band auf knapp vierzig Seiten, die aber nicht rasch durchgeblättert werden wollen, sondern einander oft so spiegeln, wechselseitig bestätigen oder ergänzen, dass man immer wieder eingeladen ist, vorwärts und rückwärts zu sehen, zu lesen, zu denken - also Vergleiche anzustellen, wie sie das Wörtchen „wie“ ermöglicht und fordert.

          Der schönste Erkenntnisgewinn bei diesem „wie“ ist, dass die bildhafte Zusammenschau, die Vergleiche immer meinen, eben nicht, wie Kunst- oder Literaturwissenschaften manchmal behaupten, Artefakte der sprachlichen oder künstlerischen Mittel sind, mit denen wir Menschen dem Leben zu Leibe rücken, sondern Tatsachen dieses Lebens selbst, in dem Dinge oft ohne jede Metaphorik ganz von selbst „wie“ andere Dinge sind - die Kunst fängt das nur ein und bewahrt es auf, für Mädchen und Jungen, die mittels Kunst erwachsen werden dürfen, ohne es vergessen zu müssen.

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