Slowenisches Bilderbuch : Wie man Monster vertreibt
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Auch wenn Eddie Ekel es noch nicht ahnt: Gleich wird er sein blaues Wunder erleben. Bild: Tulipan Verlag
Wenn sich das Monster Krachodresch im Kinderzimmer breit macht, kann das viele Gründe haben. Jana Bauer und Małgosia Zając zeigen, wie sich zwei Freunde dagegen zusammentun.
Der Besuch des Jungen Philipp Hasenfuß beim etwa gleichaltrigen Otto Tüftler hat einen ernsten Grund. Unter Philipps Bett haust seit Neuestem ein Monster, und Otto soll ihm helfen, es da wegzubekommen.
Wenn in einem Bilderbuch wie Jana Bauers „Monsterschreck“ der eine Tüftler heißt und der andere Hasenfuß, dann sind die Rollen klar verteilt. Und dass der eine vor Angst seinen Tee verschüttet, der andere entschlossen seine Werkzeugtasche packt und sich mit seinem Klienten auf den Weg macht, ist keine große Überraschung. Wo der eine vor Angst wie gelähmt ist, setzt der andere dem schwer fassbaren Grauen die Empirie entgegen. Monster, so doziert Otto, lassen sich in drei Gruppen unterteilen, in „Kratz-, Zahn- und Zottelmonster“, und für jede dieser Gruppen gebe es ein Gegenmittel. Otto kennt sie alle: „Kratzmonster sind nicht besonders schlau und fürchten sich am allermeisten vor Blaskapellen. Solange ein Kratzmonster noch klein ist, droht ihm seine Mutter jeden Tag mit der größten Kralle: Wenn du nicht brav bist, dann kommt die Blaskapelle und bläst dich weg.“
Woher er seine Kenntnis hat, enthüllt Otto nicht, und wenn er in seiner Monstervertreibungskunst insgesamt einem Kammerjäger ähnelt, dann auch in diesem Punkt: Wer Ungeziefer bekämpft, wird demonstrieren, dass er mit dessen Lebensumständen vertraut ist, und wird diese seinem Auftraggeber darlegen. Er wird sich als Experte zu erkennen geben, als Praktiker, der dergleichen Operationen schon hundertmal durchgeführt hat. Je weniger der Klient Anlass hat, an diesem Expertentum zu zweifeln, umso ruhiger wird er werden. Und hoffen, dass der Ungezieferbefall in seiner Wohnung nur eine Episode sein wird. Hier heißt das: Philipp wird darauf bauen, dass Otto erst das Monster identifiziert und dann die geeigneten Maßnahmen ergreift. In etwa kommt es so.
Die Monster wohnen nicht nur unterm Bett
Nur geht es darum nicht allein. Die kluge slowenische Erzählerin Bauer zeigt das klar und überdeckt es sogleich wieder mit der dominanten Monstergeschichte. „Philipp hat ein großes Problem. Eddie Ekel“, berichtet Otto zu Beginn, um den Blick dann sofort wieder davon weg zu lenken: „Aber Eddie Ekel war nichts im Vergleich zu dem gigantischen Problem, auf das er am Abend zuvor gestoßen war.“
Was hier sprachlich so beiläufig in große Nähe gerückt wird, das gehört, man ahnt es, auch inhaltlich zusammen. Philipp und Otto wohnen im selben Hochhaus wie auch Eddie Ekel, und auf dem Weg von der einen in die andere Wohnung, auf dem Weg zum Monster also, begegnen sie im Treppenhaus dem anderen Quälgeist, der dem vorübereilenden Philipp fies grinsend ein Bein stellt, ganz so, als sei das üblich zwischen den beiden Jungen – der eine teilt aus, der andere steckt ein. Otto wird sich offenbar nicht nur um das kümmern müssen, was sich unter Philipps Bett verbirgt.
Bauer – oder besser: Otto Tüftler – erzählt die Geschichte schnörkellos und klar, aber nicht nachlässig, was wieder zeigt, dass gerade in Kinderbüchern sprachliche Effizienz oft zu Schönheit führt, auch weil der Text so den Bildern den Raum lässt, den sie benötigen, um die Geschichte weiterzuspinnen. Und Małgosia Zającs Illustrationen nutzen diese Chance auf das Allerschönste. Ohne sich in den Vordergrund zu drängen, erfüllen sie das Versprechen von Ottos Tüftlertum mit Leben. Ihnen zufolge ist der Junge naturkundlicher Sammler und Analytiker zugleich, überall liegen Skizzen, mathematische Berechnungsblätter und Entwurfszeichnungen herum oder schmücken die Wände. Wenn er Philipp seine Monstertypologie näherbringt, zeigt er auf einem Wandbild die Details, und auf dem Weg zum Einsatzort – Philipps Schlafzimmer – erweist sich die Tasche mit allem, was Otto zur Monsterbekämpfung braucht, als schwere Last.
Aber auch die andere Seite leuchten die Bilder aus, diejenige, in der das Monsterhafte weniger leicht zu erkennen ist, weil es zu Philipps Alltag gehört. Eddie Ekel ist bei Weitem nicht der einzige Schrecken, der unter den Hausnachbarn lauert. Und das entrückte Lächeln, das Philipps nichts ahnende oder nichts sehen wollende Mutter aufsetzt, während sie am Küchentisch eine Katze zu hypnotisieren versucht, statt sich um ihr gemobbtes Kind zu kümmern, kann es an Gruseligkeit durchaus mit dem Monster aufnehmen, dem Philipp und Otto noch begegnen.
Es stellt sich übrigens als ein Krachodresch heraus, „eine besonders seltene, dreiste und böse Kreatur“, sagt Herr Kundig, der Nachbar, den die Jungen schließlich zu Rat ziehen, als sie allein nicht mehr weiterkommen. Auch er hat einst seine Erfahrungen mit diesem Ungetüm gemacht, und wie man es loswird, verrät er ebenfalls. Und er übergibt ihnen eine Schachtel, die ihn selbst vor dem Krachodresch gerettet hat, als ihn das Monster damals ins Weltall katapultiert hatte. Sie enthält einen Spiegel – den Anblick hält das Monster nicht aus, fällt in Ohnmacht und kann dann weggeschafft werden.Die Bilder aber verraten noch etwas mehr. Damals, im Weltall, war es just der Spiegel, der Herrn Kundig in die Lage versetzte, aus der Einsamkeit des Alls zurückzukehren. Wer seine Monster bekämpfen will, so kann man sich das deuten, der muss sich selbst ins Auge blicken.
Jana Bauer, Małgosia Zając: „Monsterschreck“. Aus dem Slowenischen von Alexandra Natalie Zaleznik. Tulipan Verlag, München 2022. 40 S., geb., 15,– €. Ab 6 J.