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Frank Schätzings neuer Roman : Das Gespenst in der Maschine

Unterwegs in die Zukunft: Frank Schätzing Bild: Paul Schmitz, Shutterstock, Montage Kiwi

Parallele Universen, biokybernetische Waffen und ein Superrechner, der seinen Programmierern über den Kopf wächst: Frank Schätzings Thriller „Die Tyrannei des Schmetterlings“ erzählt von einer künstlichen Intelligenz, die keine Menschen mehr braucht.

          7 Min.

          Es reicht ein Blick auf ein paar Artikel aus den letzten Wochen, um zu erkennen, dass Frank Schätzings neuer Thriller „Die Tyrannei des Schmetterlings“ genau den Punkt trifft, an dem Gegenwart und Zukunft einander durchdringen. Der chinesische Gesichtserkennungsspezialist Sensetime, liest man, wurde kürzlich auf drei Milliarden Dollar taxiert und damit zum wertvollsten Künstliche-Intelligenz-Start-up.

          Peter Körte
          Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Der israelische Historiker Yuval Noah Harari, Autor von „Homo Deus“, warnt davor, Künstliche Intelligenz könne in autoritären Staaten wie China oder Russland effizienter eingesetzt werden als in Demokratien. Und auch Francis Fukuyama, der uns schon „Das Ende der Geschichte“ prophezeite, sorgt sich um autoritären Internetmissbrauch.

          Schätzing, der sich in „Breaking News“ vor vier Jahren bei der Erkundung von Vergangenheit und Gegenwart Israels doch ein wenig übernommen hatte, bewegt sich jetzt wieder auf dem Terrain, auf dem er zum Bestsellerautor wurde, sein Roman „Der Schwarm“ von 2005 hat sich seither auf der ganzen Welt fast fünf Millionen Mal verkauft.

          Seine ideale Zeit- und Erzählzone ist die nahe Zukunft, in die sich klare Linien aus der Gegenwart ziehen lassen, fiktionale Hochrechnungen dessen, was im Heute vorhanden ist: zu hochfliegend, um schon Realität zu sein, geerdet genug, um Wahrscheinlichkeit beanspruchen zu können.

          KI ist längst unser Alltag

          KI, künstliche Intelligenz, das ist natürlich kein neues Sujet im Raum der Science-Fiction, es ist der Stoff, aus dem bereits Teile unseres Alltags sind, in der Software der Suchmaschinen, in Bots und im Haushalt, im Smart Home und in der unvermeidlichen Alexa. Entscheidend ist allein, welche Facetten Schätzing diesem Sujet abgewinnt – und ob er dabei den Vorläufern aus Literatur und Kino etwas hinzuzufügen hat.

          „Die Tyrannei des Schmetterlings“ hält sich fern von den Androiden, die in Kino- und Serienwelt, in „Prometheus“, „Alien: Covenant“ oder „Westworld“, um nur ein paar zu nennen, in den letzten Jahren so faszinierende Erscheinungsformen angenommen haben – weil die Grenzen zum Menschen verwischten, weil diese Cyborgs zu rudimentärer Wahrnehmung ihrer selbst fähig waren. Es gibt auch keine traurige Liebesgeschichte mit einem Betriebssystem wie in Spike Jonze’ Film „Her“ und kein Überwachungsdrama wie in „The Circle“.

          Bei Schätzing ist die KI auf den ersten Blick ein Supercomputer, das Produkt einer Firma aus Palo Alto, die sich nach ihrem Gründer Nordvisk nennt. Sie liegt international an der Spitze auf den einschlägigen Feldern: Sprach- und Gesichtserkennung, Medizindiagnostik, pilotiertes Fahren – und in einem Bereich, den man vor der Öffentlichkeit lieber verbirgt. Weshalb es neben dem googlehaften Hauptquartier im Silicon Valley eine schwer befestigte Dependance gibt in der Abgeschiedenheit Nordkaliforniens, im hügeligen und waldigen Sierra County.

          Aus der Provinz ins Paralleluniversum

          Dort steht der Superrechner Ares (für „Artificial Research and Exploring Systems“), der längst eigene Forschungsprogramme entwickelt. Er agiert als „eine Art synthetischer Wissenschaftler“ und ist unterwegs zu jenem Typus allgemeiner Intelligenz, die ihren Programmierern über den Kopf zu wachsen droht und über das dystopische Potential verfügt, das ein Science-Fiction-Roman zwingend braucht.

          Schätzing bindet diesen latent bedrohlichen Akteur – nach einem längeren Prolog aus einem unbenannten afrikanischen Bürgerkriegsland, an dessen Ende ein vorerst rätselhaft bleibendes Massaker steht – anfangs in eine sehr analoge, sehr provinzielle Welt ein. Der Held ist ein ghanaisch-amerikanischer Sheriff namens Luther Opoku, der im so malerischen wie verschnarchten Downieville amtiert, wo die Polizei für brisante Dinge wie verschwundene Katzen und brennende Mülltonnen zuständig ist und ab und zu auch mal gegen großflächigen Marihuana-Anbau vorgegangen werden muss.

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