
Biographie über John Williams : Kann man Autor und Figur trennen?
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Aus den Spannungen und Eifersüchteleien der Akademiker versuchte Williams sich herauszuhalten. An erster Stelle betrachtete er sich als Schriftsteller, der seinen Lebensunterhalt als Dozent an der Universität und Verleger verdiente. Seine Kurse für kreatives Schreiben waren bei den Studenten beliebt. Nachdem seine Dissertation angenommen worden war, stand einer akademischen Laufbahn nichts mehr im Weg. Schreiben, forschen und lehren, und das alles „im Spitzenbereich“, war sein durchaus erfolgreiches Lebensprinzip. Williams konnte damit seine wachsende Familie ernähren (inzwischen war er auch in seiner dritten Ehe nicht glücklich). Ab und zu zog er sich in eine Hütte in den Bergen zurück.
Wie es in amerikanischen Universitäten zugeht, hatte Williams nicht nur an Ort und Stelle studiert. Er selbst musste sich Plagiatsvorwürfen stellen, die das kollegiale Klima in Denver schwer belasteten. Immer wieder gelang es ihm aber, freie Zeit für sein eigenes Werk zu erobern. Er verbrachte solche Phasen in Mexiko, wo seine Schwester mit ihrem Mann lebte, einem zeitweise erfolgreichen Unterhaltungsschriftsteller, oder in Key West, wo er Kontakt zu anderen Autoren fand. Williams liebte Gespräche und feuchtfröhliche Gelage.
Das komplizierte System von Stiftungen, Sommerkursen und Stipendien der amerikanischen akademischen Welt ist dem Biographen Shields ebenso vertraut wie seinem Protagonisten. Er strapaziert den Leser manchmal mit Detailkenntnissen und Abschweifungen, die wegführen vom Gegenstand seiner Biographie. Jedenfalls fand Williams in Denver ein reales Vorbild für Stoners aussichtslosen Kampf mit seinem Rivalen und intriganten Feind Lomax. An dem Roman „Stoner“, der ihm von all seinen Werken das wichtigste war, hat er vier Jahre lang gearbeitet.
Von der Kritik verkannt
Genauso viel Zeit oder noch mehr brauchte er für seine weiteren einzelnen Bücher. Und jedes Mal war es ein anderes Genre, in dem er ein Meisterwerk schreiben wollte. Geduldig sammelte er dafür an Ort und Stelle genaues Material. „Butchers Crossing“, die Tragödie des alten Westens mit Tausenden von Büffeln, die dem Untergang geweiht waren, mit Glücksrittern und brutalen Schlächtern, wurde jedoch von der Kritik völlig verkannt und zu den meist seichten Western gerechnet, was Williams tief enttäuschte.
Um den in der Antike angesiedelten Briefroman „Augustus“ zu schreiben, reiste Williams mehrmals nach Europa und besuchte die historischen Schauplätze in Rom. Augustus schildert er nicht nur als Machtmenschen und Herrscher eines stets bedrohten Riesenreichs, vielmehr ist es die schmerzliche Liebe zu seiner Lieblingstochter, die er fast in den Mittelpunkt dieser Quasi-Biographie gerückt hat. Möglich, dass Williams’ eigene Erfahrungen in diesen bewegenden Szenen verarbeitet hat. Endlich erkannte die Kritik seine Qualität: 1973 erhielt er für dieses Werk einen wichtigen Literaturpreis, den National Book Award, er musste ihn jedoch teilen. Ähnlich wie sein Held Stoner fand auch er selbst sich mit dem Mangel an Anerkennung ab. Seinen Nachruhm (mit Millionenauflagen), der einsetzte, nachdem C.P. Snow gefragt hatte, warum der Roman „Stoner“ und dessen Autor nicht berühmt seien, hat er nicht mehr erlebt.
Durch exzessives Rauchen und Trinken hatte Williams seine Gesundheit zerstört. Mehrmals zog er um in der Hoffnung, in den Bergen oder im tropischen Küstenklima Linderung für Atemnot und Bronchitis zu finden. Mit Hilfe eines Sauerstoffgeräts nahm er bis zuletzt gern an Diskussionen teil. Er hatte seinen Frieden mit der Welt geschlossen, als er 1994, zweiundsiebzig Jahre alt, starb – einig mit sich selbst wie Stoner.