Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage : An der Honiggrenze
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Zirkuskinder, endlose Sommer, nackte Füße im hohen Gras: Die Frankfurter Schriftstellerin Zsuzsa Bánk balanciert in ihrem Roman „Die hellen Tage“ wagemutig und mit großem Erzähl-Atem über die Abgründe des Kitsches hinweg.
Zsuzsa Bánk lässt sich Zeit. Mehr als acht Jahre liegt ihr Debüt zurück, der Roman „Der Schwimmer“, mit dem sie 2002 die literarische Szene betrat: eine poetisch-melancholische Erzählerin, zart, aber auch kraftvoll und ausgesprochen sicher in der Wahl ihrer Mittel. Auf Anhieb gelang ihr ein charakteristischer Erzählton, der lange nachhallte. Drei Jahre später folgte der schmale Erzählband „Heißester Sommer“, und nun liegt der zweite Roman vor, „Die hellen Tage“. Wiederum erzählt Zsuzsa Bánk eine Kindheitsgeschichte, und wie in ihrem Erstling, der in Ungarn spielte, fällt an diesem Buch zunächst die Behandlung der Zeit auf: Zsuzsa Bánk nimmt sich Zeit.
Endlos dehnen sich die Sommer von Aja und Therese, jeder Tag eine kostbare kleine Unendlichkeit, angefüllt vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang mit kindlichen Ewigkeitsgefühlen. Veränderungen schleichen sich träge heran, werden aber ebenso diskret wie zuverlässig angekündigt durch ein Rascheln im Unterholz der sorgfältig miteinander verknüpften Motive. Nichts ereignet sich plötzlich, und selbst wenn Unerhörtes geschieht, wie ein Unfall oder das spurlose Verschwinden eines kleinen Jungen, packt Zsuzsa Bánk das Geschehen in eine Dramaturgie der Langsamkeit. Rasche Schnitte, filmisches Erzählen sind ihr fremd, nie werden dramatische Effekte durch simple Beschleunigung erzeugt. Bánk will ihren Leser nicht überwältigen. Aber will sie ihn womöglich einlullen?
Die Geschichte einer Mädchenfreundschaft
Der Ort des Geschehens wäre danach: Kirchblüt. So heißt das Nest im Süddeutschen, an dessen Rand Aja mit ihrer Mutter Évi lebt. Zwischen Klatschmohn und Kastanien, nicht weit vom Neckar, steht das notdürftig und phantasievoll zurecht gezimmerte Häuschen ohne Anschrift, ohne Straßennamen und Hausnummer. Als wäre dies der Ort, den es nicht geben kann, es sei denn im Märchen. Eine Bruchbude? Ja, aber auch ein Kindheitsparadies am Dorfrand, fern von allen Zwängen und Konventionen.
Im Kern des Romans steht die Geschichte einer Mädchenfreundschaft. Aja und Therese, die Erzählerin, durchleben ihre Kleinmädchensommer wie Schwestern, unzertrennlich seit dem Tag ihrer ersten Begegnung: „Wir fanden uns, wie sich Kinder finden, ohne zu zögern, ohne Umstände.“ Um dieses Zentrum lässt Zsuzsa Bánk weitere Bindungen ranken: Erst freunden sich die Mädchen der Mütter miteinander an, dann kommt Karl hinzu, und mit dem Jungen erweitert sich die Freundschaft von Aja und Therese zur heikelsten, brüchigsten Figur der Beziehunggeometrie - dem Dreieck.
Heile-Welt-Schmonzette
Und auch die Perspektive ist brüchig: Es ist die von Therese, die als Ich-Erzählerin zurückblickt und die Ereignisse noch einmal betrachtet, zunächst mit den Augen des Kindes, das sie einmal war. Folgerichtig erfahren wir zum Beispiel über Ajas Mutter nur wenig und kaum mehr, als dass sie rotlackierte Fußnägel und blaue Flecken an den Beinen hat, weder lesen noch schreiben kann, von der Hand in den Mund lebt und vor allem damit beschäftigt ist, auf Zigi zu warten. So nennt sie Ajas Vater, der als Trapezkünstler durch die Welt zieht und nur einmal im Jahr, am Ende des Sommers, für einige Wochen nach Kirchblüt kommt: ein Mann mit struppigem Haar, die nackten Füße in Schuhen ohne Schnürsenkel, der das Häuschen ausbessert und den Kindern kleine Kunststücke beibringt.