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: Spengler persönlich

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Eigentlich hatte er Angst vor allem. Angst vor Verwandten, vor Behörden, vor Gewittern.Angst, eine Wohnung zu mieten, einen Brief zu öffnen, einen Laden zu betreten."Angst vor Weibern - sobald sie sich ausziehen."Wer möchte glauben, dass es sich hier um Geständnisse des unerschrockenen Denkers, ...

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          Eigentlich hatte er Angst vor allem. Angst vor Verwandten, vor Behörden, vor Gewittern.

          Angst, eine Wohnung zu mieten, einen Brief zu öffnen, einen Laden zu betreten.

          "Angst vor Weibern - sobald sie sich ausziehen."

          Wer möchte glauben, dass es sich hier um Geständnisse des unerschrockenen Denkers, des deutungsgewaltigen Oswald Spengler handelt?

          Seine Notizen zur Person, die unter der Rubrik "Ego" und "Eis heauton" in seinem Nachlass verstreut sind, liegen jetzt zum ersten Mal auf Deutsch vor. Die Veröffentlichung basiert auf der maschinenschriftlichen Wiedergabe oft sehr flüchtiger Aufzeichnungen, die seine Schwester herstellte - hoffentlich gewissenhafter als jene berüchtigte andere.

          Die ungeordneten, undatierten Einträge sollen wohl eine künftige Selbstbeschreibung vorbereiten, es schwebt ihm vor: "eine neue Art von Biographie - rein seelisch".

          Oft sind es nur Kürzel und Stichworte, stilistisch kaum geprägt, und zum überwiegenden Teil stammen sie aus den Jahren vor dem großen Ruhm, der dann unmittelbar nach Erscheinen von "Der Untergang des Abendlandes" mit Elementargewalt über den Autor hereinbrach.

          Man sagt, der erste Teil seines Hauptwerks, das in den Notizen - wie zur Schonung des magischen Titels - unter dem Kürzel "U.d.A." auftaucht, sei bereits um 1914 so gut wie abgeschlossen gewesen, der Geniewurf eines Mittdreißigers, dessen Pathos und Wille zur Größe auch in den Notizen nicht unterdrückt wird.

          Den gesamten Ersten Weltkrieg muss der Autor folglich als zermürbenden Aufschub empfinden, wegen eines Herzfehlers war er vom Militärdienst ausgeschlossen. Es mag sein, dass diese strapaziöse Zeit der Erwartung mit zu den vielen düsteren Selbstbezichtigungen, Inferioritätsbekundungen beitrug, die auf den Blättern schroff mit Anmaßung und Überheblichkeit wechseln. Etwas unbestimmt Bedrängtes, ein Lebensgefühl zwischen Herostratos und Karl May wird hier fixiert. Ein fortlaufendes journal intime entsteht jedoch dabei nicht, eher eine inkohärente Partitur von unterschiedlich veranlassten Seufzern und Klagelauten. Daneben aber auch der ernsthafte Versuch, seinem Unglück auf den Grund zu kommen, wie wir es von Hebbel oder anderen tragischen Naturen kennen, die schreibend Gerichtstag über sich selber halten.

          Immer wieder wird die Wunde der verwirkten Kindheit aufgedeckt, wird der Vater geschmäht, ein Postbeamter, der dem Heranwachsenden das unablässige Lesen verargt; auch wird die Mutter bedauert, weil sie zu schwach ist, ihren künstlerischen Neigungen zu folgen. Die Erinnerung kennt keine Gnade. Die Eltern waren das Verderben des Kinds. "Nichts war gut."

          Am wenigsten die Schule oder gar die Schulkameraden; kein Freund findet sich, der Tertianer verbringt die Nachmittage in der Hallenser Universitätsbibliothek.

          Seine gesamte Jugend sei ihm schon dadurch verleidet worden, dass er zu niemandem habe aufschauen können. Die zeitgenössische Literatur zwischen 1895 und 1900: nichts als Plunder. Und wäre er ins Theater gegangen, was hätte man ihm geboten? Stücke von Halbe, Wildenbruch und Sudermann. Naturalismus. Nun, den Verdruss kann man verstehen. Das Theater kennt nur sehr kurze glückliche Perioden, in denen es daran gehindert wird, sich jedem ephemeren Blödsinn und dem schlechten Geschmack zu überlassen.

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