Abfuck für alle
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Sibylle Berg 2018 auf der re:publica Bild: dpa
Die Schriftstellerin und Dramatikerin Sibylle Berg setzt in „RCE“ ihre Trilogie über den real existierenden Horror fort und spielt dabei mit den Mitteln der Verschwörungserzählung. Ist das noch Literatur oder Empörungsjournalismus?
Vor drei Jahren veröffentlichte Sibylle Berg ihren Monsterroman „GRM“, ein Buch, das einerseits die Geschichte von vier gequälten Teenagern erzählt, die aus der trostlosen nordenglischen Industriestadt Rochdale nach London ziehen und dort im Schatten eines totalen Überwachungsstaates versuchen, etwas zu tun, was man halbwegs leben nennen könnte. Und in dem andererseits diese Handlung ziemlich zweitrangig war, eher das Gerüst einer 634 Seiten langen Suada über eine Gesellschaft, die nur so weit in der Zukunft angesiedelt ist, dass man die Schrecken einer Gegenwart besser erkennen kann, die eigentlich kaum noch eine Zukunft hat, höchstens noch das Versprechen ereignislosen Wohlstands für wenige Kapitalismusgewinner. Die einzige Hoffnung, die es darin gab, war die hyperaktive Energie der Rap-Spielart Grime, die dem Buch seinen Titel gab.
Am 5. Mai erscheint nun die Fortsetzung „RCE“, der zweite Band einer angekündigten Trilogie, und wenn die Welt von „GRM“ schon der real existierende Horror war, ist in „RCE“ alles noch ein Stück apokalyptischer. Das ganze Leben ist gnadenlos privatisiert, sämtliche Unternehmen sind in den Händen von ein paar multinationalen Investmentfirmen, deren Algorithmen alles kaputtoptimieren, was zu wenig Profit ergibt. Die Menschen, die noch Jobs haben, machen die Drecksarbeit, für die Maschinen zu teuer oder zu intelligent sind, zerlegen mit chinesischen Antibiotika vollgestopfte Schweine für den chinesischen Markt oder programmieren gleichgültig bedeutungslose Apps.
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