Gedichtekalender 2019 : Wie viele Verse hätten Sie denn gern?
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Welcher Gedichtkalender für 2019 ist der Richtige für Sie? Die Auswahl jedenfalls ist groß. (Handschrift eines Gedichtes von Großherzog Ernst Ludwig). Bild: Silas Stein/dpa
Eine Lesetour durch die Gedichtekalender 2019 für Groß und Klein: Unser Autor hat die beliebtesten Verssammlungen für das kommende Jahr vorgestellt. Eine Übersicht.
„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“ Viel gefordert!
Zu viel? Wer, bitte sehr, kann schon von sich behaupten, er absolviere wirklich Tag für Tag dieses anspruchsvolle Bildungsprogramm? Es verlangt ja die regelmäßige sinnliche Wahrnehmung (hören, lesen, sehen) der künstlerischen Hervorbringungen aus den Bereichen der Musik, der Literatur und der Bildenden Kunst sowie – und das scheint das Allerschwerste zu sein – die redliche Bemühung darum, pro Tag wenigstens „einige vernünftige Worte“ von sich zu geben.
Dieses ebenso zuversichtliche wie desillusionierte Programm einer ästhetischen Selbsterziehung trägt der Theaterdirektor Serlo seinen Adepten in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ vor, und man darf annehmen, dass Goethe über diese Empfehlungen nicht anders gedacht hat. Wer sie akzeptiert und ihnen zunächst mit täglicher Gedichtlektüre folgen will, ist mit Kalendern, die Gedichte enthalten, gut beraten.
„Deutsche Gedichte 2019“ und „Mit deutschen Gedichten durch das Jahr 2019“
Am genauesten entsprechen solche Kalender dem Bildungsprogramm Serlos, die tatsächlich für jeden Tag des Jahres 2019 ein Blatt mit einem deutschen Gedicht zur Lektüre und zum Nachdenken bereithalten. Das sind die Abreißkalender, etwa diejenigen der Verlage Südwest oder Harenberg. Sie ähneln einander in der Bemühung um eine abwechslungsreiche Auswahl heiterer und besinnlicher Gedichte, die zu den Jahreszeiten, den Festtagen und zu unterschiedlichsten Gemütszuständen passen. Beide Kalender nennen die Verfasser der Gedichte mit ihren Lebensdaten, beide müssen wegen des kleinen Formats der abreißbaren Tageszettel die Gedichte oft radikal kürzen.
Bei der Auswahl der Gedichte führt Harenberg deutlich näher an die Gegenwart heran: Man trifft hier auch auf Texte lebender Autoren wie Enzensberger, Peter Handke, Marion Poschmann und Brigitte Struzyk, während alle Autoren des Südwest-Kalenders mindestens seit siebzig Jahren tot sein müssen – aus Gründen des Urheberrechts: Man will keine Autorenhonorare zahlen. Das führt in diesem Kalender zu einer Überbetonung von biedersinnigen Gedichten aus dem neunzehnten Jahrhundert, die noch dazu entstellend um eine fiktive Mittelachse zentriert dargeboten werden. Dazu kommen, wie Stichproben zeigen, zahlreiche Fehler, willkürliche Kürzungen, falsch geschriebene Verfassernamen und sogar sinnentstellende Druckfehler in den Texten. Man hat keine Freude daran. Im Gegenteil: „Die tägliche Portion Dichtkunst“, die dem Leser nach der Selbstauskunft des Verlags verabreicht wird, kann zum schwererträglichen Tort werden.
„Der Klöpfer & Meyer Gedichtekalender 2019“
Der enthusiastische Buchhändler und Künstler Thomas Bader aus Freiburg beglückte seine bibliophilen Kunden seit 2010 mit seinem erlesenen kalligraphischen „Wetzstein Gedichtekalender“. In dankbarer Erinnerung an Thomas Bader, der 2014 starb, führt der Verleger Hubert Klöpfer diesen Kalender mit seiner eigenen markanten, dekorativen Handschrift in gleicher Form als „Der Klöpfer & Meyer Gedichtekalender“ fort.