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Roman über Sechstagekrieg : Höllisches Jerusalem

  • -Aktualisiert am

Ein israelischer Soldat steht am 7. Juni 1967 in der von Israel eroberten Jerusalemer Altstadt neben der abgedeckten Leiche eines jordanischen Soldaten. Bild: Picture Alliance

Ron Segals Roman ist eines der wenigen Werke in der Literatur, der sich mit dem Sechstagekrieg auseinandersetzt. Die Handlung beginnt vielversprechend, ist mit Witz und Humor geschrieben und enttäuscht am Ende doch.

          4 Min.

          Eine israelische Literatur, die nicht in Israel entsteht, ist noch neu, aber es gibt sie bereits. Ron Segal ist einer ihrer Autoren. 1980 in Rechovot geboren, lebt er seit 2009 zumeist in Berlin, und seinen zweiten Roman beendete er mit einem Döblin-Stipendium in einem Haus, das Günter Grass der Stiftung zur Verfügung gestellt hatte.

          Segal fühlt sich nicht sehr wohl in seiner Heimat und hat eine Art „Exil“ gewählt, von dem aus sich Israel besser beobachten lässt. Sein neuer Roman „Katzenmusik“ spielt im Sommer 1967, im Jerusalem nach dem Sechstagekrieg. Für viele Israelis war die Eroberung der Altstadt mit ihrem Tempelbezirk ein eschatologisches Ereignis, die Erfüllung aller zionistischen Hoffnungen, doch aus einer späteren Perspektive nehmen sich die Folgen dieses Krieges problematischer aus.

          Buchcover Katzenmusik
          Buchcover Katzenmusik : Bild: Secession Verlag

          Jahr und Ort sind für die Erzählung vielversprechend. Der Sechstagekrieg, sagte Segal in einem hebräischen Zeitungsinterview, sei das entscheidende Ereignis in Israels politischer Geschichte, doch in der Literatur bleibe er eine heilige Kuh, die niemand zu berühren wage. Das Argument hat viel für sich, aber trotz der räumlichen und zeitlichen Distanz gelingt es auch Segal leider nicht, dieser heiligen Kuh zu Leibe zu rücken.

          Dabei fängt der Roman gut an. Mit seiner Vespa überfährt ein junger Mann namens Eli versehentlich einen Kater, er lässt ihn verarzten, nimmt ihn zu sich nach Hause und teilt fortan seine Wohnung mit ihm. Vom Tierarzt weiß er, dass der Kater aus Ostjerusalem stammt. Vermutlich haben seine Herren ihn ausgesetzt, und es hat ihn in den Westen der Stadt verschlagen.

          Gut gelaunte Leichen

          Ein Kater als palästinensischer Flüchtling im Haus eines Israelis: Ron Segal hat durchaus Humor. Eli und sein Kater haben die Wohnung noch kaum betreten, da erschüttert eine Explosion die Stadt, sie lässt die Fensterscheiben fast zersplittern und eine schwarze Rauchsäule über der Altstadt aufsteigen. Doch bald kommt die Entwarnung. Die Explosion, so wird im Radio durchgegeben, sei ungefährlich, in der Altstadt drehe man jetzt einen Film über den Krieg, und soeben wäre eine Schlacht nachgestellt worden.

          Dann macht Eli sich auf, um Futter für den Kater zu kaufen. Auf dem Weg, so lesen wir, „kam er an einigen Soldaten vorüber, die gerade von den Aufnahmen in der Altstadt zurückkehrten. Noch nie hatte er so gut gelaunte Leichen gesehen. In ausgelassener Stimmung marschierten sie blutüberströmt und notdürftig verbunden durch die Fußgängerzone.“

          Ron Segal nimmt das Pathos eines eschatologischen Ereignisses auseinander, und man liest den Roman zunächst mit großem Vergnügen. Auf seiner Vespa macht Eli für eine obskure Firma ebenso obskure Botengänge, und es dauert eine Weile, ehe man erfährt, welche Ware er austrägt. Es sind Zettel, die Juden nun aus aller Welt nach Jerusalem schicken und zwischen die Steine der Klagemauer stecken lassen, damit Gott die auf ihnen notierten Wünsche erfülle.

          Dies geschieht zu später Nacht, wenn der am Tag überfüllte Vorplatz der Klagemauer leer ist, und einmal beobachtet Eli einen anderen Mann, der dort wenig später auftaucht. Er holt die Zettel wieder aus den Lücken, verstaut sie in einem großen Sack und verschwindet damit in der Dunkelheit. Zuerst ist er empört und will ihm nacheilen, aber dann findet er sich mit der Situation ab.

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