Rezension: Belletristik : Nepplokal Alemania
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Feridun Zaimoglu leiht Türkinnen seine "Kanaka Sprak"
Nach seinem ersten Buch "Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft" (1995) ließen ihm die Feuilletons die höchste und die übelste Ehre zuteil werden, die sie an Debütanten zu vergeben haben: Feridun Zaimoglu, Jahrgang 1964, türkischstämmiger Deutscher, wurde zum Kultautor designiert und prompt von seinen Lesern gekürt. Die Hymnen auf den poetischen Kraftstoff aus kauderwelschendem, gewaltherrscherlichem Straßenslang mit Kieler Zungenschlag und der Atemlosigkeit des Rap, den Zaimoglu aus Protokollen mit türkischen Drogendealern, Strichjungen, Zuhältern kompiliert hatte, kamen einer Verurteilung zu Zwangsarbeit gleich. Gerade nach Mölln nannte man ihn den Malcolm X der sprachlosen Migranten in der zweiten und dritten Generation, mit schlechtem Gewissen reichte man den Propheten des Aufstands von Talkshow zu Lesung und bestaunte ihn mächtig. Seine pidgin-deutschen Texte entkamen, wie er gehofft hatte, der "Folklore-Falle". Dem Abrieb des Kulturbetriebs entging er nicht.
Daß der begabte Ghettorapsode aus gutem Hause, der Medizin studiert hatte und Kunst, in Debatten so manierlich auftrat wie die bei seinen Gewährsleuten verhaßten "Asimil-Kümmel", schadete ihm nicht. Daß er damit kokettierte, seine Sprachgewalt schon als Teenager am Buch Hiob und Faust II geschult zu haben, brachte ihn nur bei Mäklern wie Wolf Biermann in Mißkredit. Der bescheinigte Zaimoglu eine salbungsvolle, ja pfäffische Art; sein wildes Kanakentum im Buch sei Pose. Genauso ist es und muß so sein. Natürlich ist seine Poesie Pose und nur deshalb künstlerisch stark, weil er kopfscheue Gedankenfetzen zusammenfügen kann und Geschwätz klug machen. Dabei ist sein Aderlaß des Zorns authentisch und war anfangs tapfer. Käme Zaimoglu ohne Pose aus, müßten wir Alemanen, zumal die "Liberalpissetrinker" unter uns, mit Recht fürchten, lauter unentdeckte deutschtürkische Ausnahmedichter zu unterdrücken, die keine Lehrstellen, sondern Verlagsvorschüsse brauchen. Der erklärte Nachdichter Feridun Zaimoglu verleiht seine Stimme unter ungleichen Brüdern. Er hängt ihnen ein Maul an, das mehr sagen kann, als sie wissen.
"Kanak Sprak" und "Abschaum" (1997), die authentische Geschichte des drogenabhängigen Dealers und Schlägers Ertan Ongun, der dem Autor begeistert seine miese Existenz antrug, hatten für weibliche Bewunderer den Makel eines ermüdenden Machismo. Jede Lesung Zaimoglus förderte zutage, daß er den "Starkfrauen", den Schwestern eben eine Gegendarstellung schulde. Die liegt nun vor. "Koppstoff - Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft" enthält 26 Protokolle, die meisten im bewährten Wortschwall des Zaimoglu-Gassenhauens verfaßt, sämtlich nach mehreren Treffen zu einer einzigen Rede montiert. Schon die erste ("Ich bin n taffer Liberalkiller"), Nasrin, 24, Rapperin und Streetfighterin, zerstreut jeden Zweifel, der Meister könne weich geworden sein. Es leben und fluchen "Süppkültür" und "Ünterüntergründ" bei den "Taffgören" nicht weniger oder feiner als bei den Kerlen.