Rezension: Belletristik : 1813
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Jane Austens "Stolz und Vorurteil"
Es sei ein Satz von allgemein anerkannter Wahrheit, daß ein Junggeselle, der ein gewisses Vermögen besitze, nun Ausschau nach einer Frau halten müsse - ungefähr so fängt dieser Roman an, und Jane Austen sagt auch bald, wie groß das Vermögen des jungen Mannes ist: Seine jährlichen Einnahmen daraus belaufen sich auf 10000 Pfund, und sie vergleicht diese Einnahmen dann mit denen andrer Leute in dem Buch, so daß wir uns ein Bild machen können. Der junge Mann hat katastrophale Vorurteile, das Mädchen dagegen, von dem wir denken, es passe zu ihm, ist schrecklich stolz, und die Liebe der beiden, denn sie lieben sich tatsächlich, segelt immer nur haarscharf an allen Riffen vorbei, an denen sie im Grunde ebensogut scheitern könnte. Irgendwann dann entledigt sich der junge Mann wenigstens des hinderlichsten Teils seiner Vorurteile, und das Mädchen legt wenigstens den Stolz gegen diesen jungen Mann ab. Sie besichtigt auch seinen Landsitz, und der gefällt ihr, wie der junge Mann ihn sich angelegt hat (daß er das nötige Geld hätte, wußte sie schon, das wäre es nicht). Als beide soweit sind, überlassen sie der Liebe das Steuer: einer Liebe also, der sie beide immer vertraut haben, sonst wären sie nie hierhingekommen, die aber erst dann eine Realität vergleichbar jenen 10000 Pfund wird, wenn sie sich mit Einsicht verbindet - diese wiederum wäre tödlich, wenn sie sich nicht, und vielleicht durch Liebe und Neigung, im selben Maße erst frei gemacht hätte von den trüben Verfestigungen allgemein gängiger gesellschaftlicher Konventionen. Wie die beiden Liebenden hier bei Jane Austen ihren verworrenen Weg finden zwischen den Konventionen, mit denen man sie plagt, und den Verblendungen, mit denen sie teilhaben an diesen Konventionen, und zwischen einer platten Realität, die nur aufs bloß Vernünftige aus wäre, und einer Liebelei, die sich um keine Einsicht scheren würde - das ist eine wunderliche Wanderung über Grate, die uns nur deshalb nicht so erschrecken, weil die Autorin, die uns so liebt wie ihre Figuren (wenn sie's nur irgendwie verdienen; von uns hofft sie das; ein bißchen vertrauen müssen wir ihr aber schon; und wir dürfen das), den Weg, den sie uns führt, wie einen schönen Park umstellt hat mit Landhaus und Natur, und wenn das Übel der Welt gar nicht mehr zu verbergen ist, mildert sie es durch Komik. Selber sei sie eher unscheinbar gewesen, heißt es von ihr. (Jane Austen: "Stolz und Vorurteil". In vier oder fünf deutschen Übersetzungen zu haben, die neueste und sehr gute ist von Helga Schulz. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997. 452 S., br., 16,90 DM.) R.V.