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: Machtspieler unter sich

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Uganda, in den siebziger Jahren. Bat Katanga, ein junger Mathematiker aus gutem Haus, kehrt nach dem Cambridge-Studium in sein Heimatland zurück, fest entschlossen, Karriere zu machen. Einer von Idi Amins Generälen wirbt ihn für einen hochdotierten Posten in einem Ministerium an. Bat weiß, daß er sich auf gefährliches Terrain begibt.

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          Uganda, in den siebziger Jahren. Bat Katanga, ein junger Mathematiker aus gutem Haus, kehrt nach dem Cambridge-Studium in sein Heimatland zurück, fest entschlossen, Karriere zu machen. Einer von Idi Amins Generälen wirbt ihn für einen hochdotierten Posten in einem Ministerium an. Bat weiß, daß er sich auf gefährliches Terrain begibt. Was er nicht weiß, ist, daß der General ihm die eigene Exgeliebte als Spitzel zuführt und ihn von Anfang an zu Fall bringen will. Zunächst hat der junge Mann den gewünschten Erfolg, dann aber macht er einen Fehler, der ihn fast das Leben kostet. Er wird verhaftet und auf unbestimmte Zeit gefangengehalten.

          Der ugandische Schriftsteller Moses Isegawa entfaltet in seinem Roman "Die Schlangengrube" das Szenario eines korrupten, gesetzlosen Staates, in dem politische Unterdrückung und Folter an der Tagesordnung sind. Einen prominenten Platz in der an blutigen Ereignissen reichen Schilderung nehmen die Machtkämpfe der Männer um Amin ein - der Diktator selbst tritt kaum in Erscheinung. Am Beispiel seiner Handlanger beschreibt Isegawa die Möglichkeiten politischen Machtmißbrauchs. Er erzählt von menschlicher Skrupellosigkeit, von der Sucht nach Intrigen und ungehemmter Machtausübung.

          Den Generälen, Intriganten und Fädenziehern gewinnt er dabei weder je die Faszination der Macht oder des Dämonischen ab. Die Tyrannen sind keine Macbeths, sondern brutale Schlächter ohne kompliziertes Innenleben. Isegawa beschreibt die von den Machtspielern in Auftrag gegebenen Morde und Folterungen so knapp wie möglich. Dabei nimmt der Autor, der 1963 in Uganda geboren wurde, ein Seminar für katholische Priester besuchte und als Geschichtslehrer arbeitete, eine entschieden moralische Position ein: In der von ihm abgebildeten Welt, in der es - fast - nur Täter und Opfer gibt, steht er auf der Seite der Opfer. Eine Ausnahme bildet Bat Katanga. Mit seiner europäischen Bildung, seinen Aufstiegsmöglichkeiten, seiner moralischen Unentschlossenheit und seiner politischen Naivität ist er sowohl Täter als Opfer: Sein Beispiel führt den Leser durch beide Welten. Erst dient er dem Terrorsystem als Beamter und profitiert von ihm; dann fällt er in Ungnade und geht fast daran zugrunde.

          Isegawas Anklage klammert auch die nicht aus, die mit Gewalt gegen das Regime arbeiten. Auch bei ihnen diagnostiziert der Autor die Sucht nach Adrenalinstößen, die ihnen die Nähe von Tod und Zerstörung verschafft. Er verzichtet weitgehend darauf, nach einer weitreichenden psychologischen Erklärung für die vielen Beispiele von Grausamkeit zu suchen, und er läßt das Böse ebensowenig als banal gelten: Es besitzt die Dimension des Ungeheuerlichen. Dabei wird das gelegentlich Parabelhafte des Romans, der die Maschinerie staatlichen Terrors exzellent abbildet, durchaus in historischen Kontext gesetzt, etwa mit einem Verweis auf die Kolonialgeschichte, in der die Schwierigkeiten Ugandas ihren Anfang nahmen: "Es war das biblische Land, dessen Reichtümer von Heuschrecken aufgefressen wurden. Die Gegenwart war nicht von Dauer, die Zukunft wurde ranzig, noch ehe man sie berührte, verdorben durch die bedrohliche Vergangenheit."

          Moses Isegawa spricht eine deutliche Sprache und verwendet einfache, kraftvolle Bilder, vor allem, wenn es um Schmerz und Trauer geht, die in diesem Buch am stärksten wirksamen Kräfte. Er berichtet von Waldlichtungen, auf denen die Leiber der Regimegegner liegen: "Sie lagen auf dem Rücken, auf der Seite, auf dem Bauch, manche zusammengerollt wie aufgespießte Tausendfüßler. Sie lagen unter- und übereinander, Arme und Kopf auf dem Nachbarn, als handle es sich um einen Spaß oder ein Ritual. Sie lagen einzeln, zu zweit oder in Gruppen, angezogen, nackt, halb nackt, von getrocknetem Blut bedeckt. Es war eine überwiegend männliche Versammlung, eine Art verfaulter Sportverein." Nur "Chirurgen" genannte Führer, die Vermißte und Gesuchte ausfindig machen können, finden einen Weg durch das Leichendickicht: ein düsteres, fast apokalyptisches Bild für die von einer außer Kontrolle geratenen Maschinerie politischer Macht ausgelösten Verheerungen.

          MARION LÖHNDORF

          Moses Isegawa: "Die Schlangengrube". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Barbara Heller. Karl Blessing Verlag, München 2002. 318 S., geb., 21,90 [Euro].

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