Leif Randts neuer Roman : Jerome-Baby ist diffus sauer
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Der Autor Leif Randt Bild: Zuzanna Kaluzna
In Leif Randts Roman „Allegro Pastell“ lieben sich eine Erfolgsautorin und ein Webdesigner zwischen Frankfurt und Berlin. Warum geht die Sache schief?
Eine Frau Mitte dreißig stellt fest, dass sie schwanger ist, und teilt das dem potentiellen Vater mit. Der weiß, dass nun eine Entscheidung ansteht und entwirft eine „Pro-und-Contra-Powerpoint-Präsentation“, die er der werdenden Mutter vorführt, zur Klärung der Frage, ob sie das Kind bekommen sollen oder nicht. Contra: Das Kind wird CO2 ausstoßen und seine Eltern daran hindern, für die Allgemeinheit zu arbeiten. Pro: Das Kind wäre eine großartige Ausrede, um unliebsame Einladungen und Verpflichtungen fern zu halten. Und ist da nicht noch mehr? „Auf einer Folie stand Creating A Future Personality, darunter die Spiegelstriche Humor, Sport und Güte.“ Und schließlich: „Unser Kind könnte zum Beispiel eine sinnvolle Religion erlernen.“ Die werdende Mutter ist amüsiert und stimmt zu, als der potentielle Vater, der vor kurzem noch gemeint hatte, es sei richtig, keine Kinder haben zu wollen, sagt: „Vielleicht sollten wir das einfach machen.“
Es geht um Männer und Frauen um die dreißig in Leif Randts Roman „Allegro Pastell“, sie leben in Berlin und Frankfurt, haben die Welt bereist und scheinen keine großen materiellen Sorgen zu haben – wenn dann doch mal kurz eine Supermarktkassiererin ins Blickfeld gerät, dann wirkt sie wie ein Exot. Im Mittelpunkt steht ein Paar, das am Anfang des Romans irgendwie zusammen ist, dann etwas mehr, dann nicht mehr, dann wieder ein bisschen und am Ende wissen die beiden vermutlich weniger denn je, was das mit ihnen ist.
Die Empathie des Sonntagskindes
Jerome Daimler, geboren am 7. November 1982, ein Sonntagskind, ist zu Beginn des Romans 33 Jahre alt. Er hält gerade „eine souveräne Distanz zu den Dingen, ohne dabei an Empathie einzubüßen“. Wie der Autor Leif Randt wohnt er im hessischen Maintal, im Speckgürtel Frankfurts, wo er den elterlichen Bungalow übernommen hat und als Webdesigner gutes Geld verdient. Und Tanja Arnheim, geboren am 30. April 1988, die in Berlin lebt, „hellwach glänzende Augen“ hat und „gerade Zähne“, Autorin eines offenbar recht beliebten Romans namens „PanoptikumNeu“, in dem es um Erfahrungen ihrer Protagonisten in einer Virtuellen Realität geht, die sie zu mehr Achtsamkeit erziehen soll. Sie wäre „in Stilfragen gern toleranter gewesen, aber sie kam gegen ihr Empfinden einfach nicht an“, und ist überzeugt, „dass von zufriedenen Hetero-Paaren kein Fortschritt ausgehen könne“, wenigstens gefällt sie sich darin, derlei in Interviews zu verkünden.
„Eigentlich redeten sie ja beide schrecklich gern“, heißt es einmal von Jerome und Tanja. Aber wie reden die Liebenden miteinander? „Während Tanjas letztem Besuch war er mit ihr durch das Hessen-Center gestreift und hatte erklärt, inwiefern sich die Mall verändert habe und inwiefern sich an diesen Veränderungen eine Transformation des generellen Konsumverhaltens ablesen lasse“, und Tanja fühlt sich von dem Soziologenslang nicht etwa zugetextet, sondern registriert darin nur, dass ihr „Boyfriend“ in seinem Reden offenbar „immun“ sei gegen „ein strukturelles Problem, das eng mit der globalen Ökonomie verwoben war“. Von manchem schweigen sie allerdings, haben sie doch „keine policies der Informationsvergabe vereinbart“, und wie fest sie zusammen sind, was hier heißt, wie ausschließlich oder auch wie treu, ist ihnen selbst nicht klar. Im Streit sagen sie „Pardon, ich bin diffus sauer“, als Versöhnung „Jerome-Baby, ich habe das nicht als Kritik gemeint. Es ist cute, wenn du Sachen mehrfach erzählst.“ Und wenn sie sich eine Ecstasy-Pille teilen, stellen sie fest: „Die hat eine nice Bruchrille.“