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Interview : Flucht und Verteidigung

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Autorin, Germanistin, Holocaust-Überlebende: Ruth Klüger hat den zweiten Teil ihrer Autobiographie geschrieben

Autorin, Germanistin, Holocaust-Überlebende: Ruth Klüger hat den zweiten Teil ihrer Autobiographie geschrieben Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Mit ihrem Buch „weiter leben“ wurde Ruth Klüger in Deutschland bekannt. Nun hat sie den zweiten Teil ihrer Autobiographie geschrieben: „unterwegs verloren“. Julia Encke hat die Autorin und Germanistin im kalifornischen Irvine besucht.

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          Man fährt eine ganze Weile den an diesem Nachmittag zum Glück gar nicht verstopften Freeway 405 Richtung Süden, um von Los Angeles ins kalifornische Orange County nach Irvine zu kommen, zu jenem Universitäts-Campus, auf dem die Germanistin und Autorin Ruth Klüger lange Jahre unterrichtet hat. Sie wohnt immer noch hier, in der kleinen Akademikersiedlung auf dem Hügel, auch wenn sie schon eine ganze Weile keine Kurse mehr gibt.

          Die alte Fluchtbereitschaft, die sie, die als Kind die Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und das Arbeitslager Christianstadt überlebte, Anfang der neunziger Jahre in ihrem so wichtigen autobiographischen Buch „weiter leben“ beschrieben hat; ein Fluchtreflex, der sich in Friedenszeiten in einem permanenten Umzugsdrang fortsetzte, in der Bereitschaft, Begonnenes aufzugeben, Dinge, an die sie sich gewöhnt hatte, wegzuschenken oder sich bereitwillig scheiden zu lassen: all das scheint im Alter gewichen zu sein. Ruth Klüger, 76, fühlt sich in Irvine zu Hause. Es ist ein heißer Tag, gerade war sie beim Schwimmen. Sie öffnet die Tür mit schnörkellos freundlichen, österreichisch eingefärbten Worten, eine kleine, sehr zierliche Frau mit verstecktem, lakonischem Humor, die Kekse und Kirschen zum Tee serviert, selbst auf die Kekse aber lieber verzichtet.

          Gerade hat sie den zweiten Teil ihrer Autobiographie geschrieben: „unterwegs verloren“ (Zsolnay, 240 Seiten, 20,50 Euro). Es ist ein feministisches Bekenntnis - nicht zornig, da sie ihren Beruf, die Literaturwissenschaft, liebt, aber oft unerbittlich. Wie war es, in Amerika als eine der ersten Professorinnen zwischen lauter Männern zu unterrichten? Welchen Anfeindungen war sie als Jüdin ausgesetzt? Und warum ist es so schwer, die eigenen Kinder zu verstehen? Ruth Klüger legt Zeugnis ab und teilt nachträglich auch da aus, wo sie sich im Leben manchmal wort- oder kampflos zurückzog.

          Als Sie Ende der achtziger Jahre zu Gast an der Universität in Göttingen waren, hatten Sie einen Verkehrsunfall und mussten lange ins Krankenhaus. Der Unfall wurde zum Auslöser für Ihr Buch „weiter leben“: Sie begannen einen Bericht zu schreiben, weil Sie auf den Kopf gefallen waren, sagten Sie. Gab es auch diesmal ein Ereignis, das Sie veranlasst hat, die Autobiographie wieder aufzunehmen? Den Tod Ihrer Mutter? Oder die Entfernung der tätowierten KZ-Nummer in einer Laserklinik, die Sie am Anfang des neuen Buchs beschreiben?

          Das hat alles eine Rolle gespielt, aber es gab keinen bestimmten Auslöser. Es war eher kumulativ, vieles hat sich angehäuft, und so ist das Buch ja auch geschrieben: Es ist keine lineare Erzählung, sondern wie eine Reihe von Essays über verschiedene Dinge, die sich, wie ich hoffe, zu einem Bild zusammenfügen.

          Das komplizierte Verhältnis zu Ihrer Mutter spielt, wie schon in „weiter leben“, eine große Rolle. Wie hat Ihre Mutter damals auf Ihr Buch reagiert?

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