Murakamis Essays : Von der Dunkelheit des Herzens
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Preise bitte nur noch, wenn sie aus dem Ausland kommen. Zum Beispiel den Hans-Christian-Andersen-Preis, der Murakami im Oktober dieses Jahres verliehen wurde. Bild: Reuters
Haruki Murakami zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern unserer Zeit. In einem Essayband gibt der Japaner Auskunft über das eigene Schreiben. Doch für Nachahmer ist daraus nichts zu lernen.
Heute, da Haruki Murakami Jahr für Jahr als heißer Favorit für den Literaturnobelpreis gehandelt wird und seine Bücher sich nicht nur in Deutschland verkaufen wie die keines anderen japanischen Autors zuvor, mag man kaum glauben, dass der Name des 1949 geborenen Schriftstellers hierzulande erst vor sechzehn Jahren richtig bekannt wurde, als sich das „Literarische Quartett“ über die Qualität seiner erotischen Schilderungen entzweite. Doch das war ein doppeltes Glück, denn nicht nur trieb ihm das viele Leser zu (wobei die voyeuristischen unter ihnen enttäuscht worden sein dürften), sondern im Zuge dieser Debatte kam auch die Rede auf die unglückliche Tatsache, dass Murakamis Bücher zunächst nicht aus der Originalsprache, sondern auf der Grundlage der englischen Übersetzung ins Deutsche gebracht wurden – eine Art platonisches Schattenübersetzen. Das änderte sich danach, und mit Ursula Gräfe hat Murakami eine deutsche Stimme gefunden, die einen unverwechselbaren Ton geschaffen hat: lakonisch, präzise, vor allem aber frei von aller Exotik.
Letzteres ist besonders wichtig, denn die moderne japanische Literatur ist zwar die am meisten westlich geprägte von den Literaturen des asiatischen Kontinents, aber deutsche Leser verbinden mit ihr immer noch gerne etwas weit Entferntes, das seinen Ausdruck auch in einem opulenten Stil finden soll. Da ist man allerdings mit japonisierenden westlichen Schriftstellern wie Amélie Nothomb oder im Falle seines jüngsten Romans auch Christian Kracht weitaus besser bedient als bei Murakami, der als eines seiner wichtigsten Vorbilder Kafka nennt – und außerdem etliche englischsprachige Autoren, denn er selbst übersetzt bis heute regelmäßig aus dem Englischen ins Japanische, zum Beispiel die Bücher von Raymond Carver. Entsprechend genau kontrolliert er die englischen Ausgaben der eigenen Romane, wobei er seine Übersetzer dazu anhält, sich Freiheiten zu nehmen, wenn das den westlichen Lesern die Sache leichter macht. Die deutsche Übersetzung seiner Bücher aus dem Englischen war denn auch von ihm autorisiert, aber gut getan hat das der Sache trotzdem nicht.
Niemand sonst hat Murakamis Idiosynkrasien
Wie wichtig das Arbeiten mit der fremden Sprache für Murakami ist, kann man jetzt in seinen Selbstbetrachtungen nachlesen, die unter dem Titel „Von Beruf Schriftsteller“ erschienen sind. Verfasst wurden sechs der elf Essays vor sechs Jahren für eine japanische Literaturzeitschrift. Dadurch erklärt sich der jeweils sehr ähnliche Umfang der Texte. Nach Beendigung dieser Serie, die suggerierte, eine Anleitung für die Leser zu liefern, wie man auf Murakamis Art erfolgreich werden kann (was sich aber nach Lektüre als unmöglich herausstellt, weil eben niemand sonst Murakami mit all dessen Idiosynkrasien ist), hatte der Verfasser Geschmack an solchen Selbstauskünften gefunden und schrieb gleich noch fünf weitere Essays, die dann ein Buch abrundeten, das in Japan im vergangenen Jahr erschien. Es ist die bislang erschöpfendste Selbstbetrachtung eines Autors geworden, der schon immer gerne übers eigene Schaffen reflektiert hat.