Georg Klein wird siebzig : Weltabrieb auf Papier
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Literarisch mit dem Teufel im Bunde: Georg Klein Bild: dpa
Dunkler Idealismus: Georg Klein ist einer der letzten wahren Erzähler deutscher Zunge. Das beweist sein neuer Geschichtenband „Im Bienenlicht“ abermals. An diesem Mittwoch wird der Schriftsteller siebzig.
Stroh zu Gold, knapper lässt sich die Poetologie Georg Kleins kaum fassen. Das Abgemähte und Ausgedroschene, die luftgetrocknete, erinnerungsgesättigte Restrealität, verwandelt sich in seinen melodischen Sätzen zur begehrten, glänzenden Kostbarkeit. „Gesponnen“, das passt auch weit besser zu den Erzählungen dieses Rumpelstilzchens als ein nüchternes „geschrieben“. Und weil es nun schon kein Geheimnis mehr ist, lässt der Schriftsteller auf den letzten Seiten seines jüngsten Werks durchblicken, woher seine Inspiration in Wahrheit stammt: Es hat ihm – alles – der Teufel gesagt. Ihm und allen anderen aus dem „Club“ der „Kundigen“, den, so wird man vielleicht übersetzen dürfen, wahren Schriftstellern. „Selbstverständlich bleiben wir Dilettanten, redliche Stümper, wenn wir an unseresgleichen weiterzugeben versuchen, was er einem unter vier Augen mitgeteilt hat. Aber als Aufbereiter seines Berichts eifern wir ihm ernstlich nach, und dass sich unser Erzählen nach der famosen Vorgabe des Leibhaftigen quasi in zweiter Instanz vollzieht, birgt einen besonderen Kitzel, einen sekundären Reiz, der sich nicht leicht beschreiben lässt.“
Das Nichtleichtbeschreibbare ist allerdings die Domäne des wortgewaltigen Georg Klein, seit er im Jahr 1998 mit dem orientalisch versponnenen Roman „Libidissi“, einem Juwel kristallklarer Phantastik, imposant die literarische Bühne betreten hat. So bringt er auch den eigenen Stil, den man Post- oder Transrealismus nennen könnte, über den Umweg des Einflüsterers perfekt auf den Begriff: „unheimlich getreu und zugleich lässig frei, mit einer Raffinesse, die nie den festen Grund der Wahrhaftigkeit verlässt“.
Das Unheil ist immer und überall
Was für ein armer Teufel ist das aber, der hier auftritt. In „Feuchträumen“ emaniert er am liebsten, salbadert auf Toilettensitzen über das Leben der Heimgesuchten, ist stets prekär in einen „grauen Overall“ gekleidet und befasst sich gern mit Geld. Im konkreten Fall entwirft er einen Anlageplan für den Erzähler, dessen kümmerliche Kontostände er genau kennt. Ganz von dieser Welt ist dieser Bankberater-Satan („Hienieden spielt uns die Musik“), kaum mehr als ein entgleister Muskel des Unterbewusstseins. Das Unheil ist immer nah bei Georg Klein, lugt oft bedrohlich aus Nebensätzen hervor, aber wir bringen es selbst hervor. Und weil all das Dämonische in dieser lustvoll im Hienieden wühlenden Prosa nicht dem Jenseits entstammt, stellt auch die Transzendenz ins Licht keinen Ausweg dar. Rätsel dürfen Rätsel bleiben bei Klein: eine gottlose Komödie. Eine Form des Arrangierens aber gibt es: die Arbeit. Mit geradezu heiligem Ernst wird sie in diesem Band verrichtet.
Die über mehrere Jahre angesammelten, jetzt unter dem Titel „Im Bienenlicht“ publizierten Erzählungen befassen sich mit dem Brummen und Summen der Welt so gut wie ausschließlich über die nie ruhenden Tätigkeiten ihrer fleißigen Bewohner. Gleich mehrere Alter Egos des Autors befinden sich darunter; das Cover zeigt denn auch passend fünf Georg-Klein-Drohnen, die an einer Königin zerren. Man muss ein Faible haben für diesen Ton, in dem etwas Altväterliches, Meisterliches mitschwingt: „Klischeehaft ausgekocht wirkende Kerle“ gibt es da, einen „Schießprügel“, der Tod erscheint als „Hingang“. Wenn die Leser angesprochen werden, klingt es so: „Inzwischen kennen Sie mich ein gutes Stück weit. Schließlich habe ich nicht wenig Worte unserer Muttersprache darauf verwendet, Sie mit der porösen Oberfläche meines Wesens und Strebens, meines Tuns und Lassens, meines Denkens und meiner Bedenken bekanntzumachen.“ Das für erzählerische Betulichkeit zu halten wäre grundfalsch. Es handelt sich um eine nicht mehr geläufige Präzision des Ausdrucks.