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Renate Schostack : Wasserweib: Eduard Mörikes „Historie von der schönen Lau“

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Märchenhaft: der Blautopf bei Blaubeuren

Märchenhaft: der Blautopf bei Blaubeuren Bild: picture-alliance / dpa

In Eduard Mörikes Märchen schwimmt eine Undine aus der Romantik in den biedermeierlichen Realismus. Nirgendwo sonst in der Literatur wird das Schwäbische so zart und fein überhöht, ohne daß es seiner Erdhaftigkeit beraubt würde.

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          Die Lau wohnt im Blautopf, einem Teich bei Blaubeuren, dessen Wasser so aussieht, als sei dem himmlischen Maler der Farbtopf, der noch für viele Gewässer hätte reichen sollen, aus Versehen ins Wasser gepurzelt. Im unterirdischen Palast der Dame tummelt sich das Gefolge: Mägde, Tiere, ein Zwerg, keine Männer.

          Die Lau ist von ihrem Gemahl, einem „alten Donaunix“, vom Schwarzen Meer ins Schwäbische verbannt, weil sie nur tote Kinder zur Welt bringt. Die Ursache hierfür: Sie ist immer traurig. Vom Fluch der Kinderlosigkeit wird sie erlöst, wenn sie fünfmal gelacht hat. Ein echtes Märchenmotiv also bildet den Kern von Mörikes Geschichte, in der eine Undine aus der Romantik in den biedermeierlichen Realismus schwimmt.

          Eine Aura des Unerlösten bleibt

          Der Hofstaat singt, spielt, tanzt, macht Possen, aber die Lau lacht nicht. Da braucht's schon eine echte Schwäbin, dies ins Werk zu setzen. Das dicke „Biederweib“, Betha Seysolffin mit Namen, ist Wirtin des „Nonnenhofs“. Mit ihr und ihrem Haus befreundet sich die Wasserfrau, angezogen vom Reiz des Menschenlebens. Taucht einfach auf, im Brunnenloch des Kellers, geschaffen wie ein Mensch, kein Fischschwanz, bloß Schwimmhäutchen zwischen Fingern und Zehen. Streicht durchs Haus, erforscht alles, sitzt im Winkel der Spinnstube, gehüllt in den Kittel der Wirtstochter, mit dem sie ihre Königsgewänder vertauscht hat.

          Nirgendwo sonst in der Literatur wird das Schwäbische so zart und fein überhöht, ohne daß es seiner Erdhaftigkeit beraubt würde. Natürlich lernt die Lau das Lachen, ein geraubter Kuß, ein Kindernachttopf spielen dabei eine Rolle und auch jener bekannte Zungenbrecher „'s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura“. Der Rest: ein Happy-End. Der König kommt geschwommen, der Blautopf läuft über, neues Liebesglück. Abschied von Frau Betha und ihren Hausgenossen mit Umarmungen, Küssen, Geschenken. Die Nixe verspricht wiederzukommen, mit dem Kindlein auf dem Arm.

          Die 1852 in der Märchensammlung vom „Stuttgarter Hutzelmännlein“ veröffentlichte Geschichte enthält viel von des Autors Neigung zu den Abgründen des Lebens und der Seele, seiner Sehnsucht nach dem Gewöhnlichen, dem Wunsch, das Unheimliche mit dem Heimeligen zu versöhnen. Eine Aura des Gefährlichen, des Unerlösten bleibt.

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