Michi Strausfeld verlässt Suhrkamp : Noch eine Trennung
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Den peruanischen Autor Mario Vargas Llosa holte Michi Strausfeld zu Suhrkamp Bild: picture-alliance/ dpa
Ihre Auswahl spanisch- und portugiesischsprachiger Autoren, die sie für Suhrkamp entdeckte und betreute, sollten zu einem der markantesten Pfeilern des Verlags werden. Jetzt geht Michi Strausfeld wegen unüberbückbarer Differenzen.
Eine lange Zusammenarbeit, eine Ära neigt sich dem Ende zu: Michi Strausfeld, verantwortlich für das spanisch- und portugiesischsprachige Programm bei Suhrkamp, hat zum Jahresende gekündigt, weil sie die Grundlagen für eine erfolgreiche Programmtätigkeit nicht mehr gegeben sieht.
Ein Blick zurück in die siebziger Jahre. Damals gab es zwar schon viele von denen, die heute Bücher schreiben und Preise erhalten, doch für die Deutschen war ein ganzer Kontinent literarisch noch unentdeckt. Die breite Riege von Autoren, die später als Phänomen eines „Booms“ zu Ruhm kommen und unseren Begriff der literarischen Moderne durcheinanderschütteln würde, von Julio Cortázar über Bioy Casares bis Juan Carlos Onetti, sie alle waren bei uns unbeschriebene Blätter. Damals, 1973, lernte der Verleger Siegfried Unseld eine junge Hispanistin namens Mechthild Strausfeld kennen und bat sie um eine Liste der wichtigsten unübersetzten Werke lateinamerikanischer Literatur.
Aus den Namen, die auf einem Stück Papier landeten - unter anderem Cortázars „Rayuela“, Onettis „Das kurze Leben“, „Drei traurige Tiger“ des Kubaners Guillermo Cabrera Infante, „Paradiso“ von José Lezama Lima sowie eine Neuübersetzung von Alejo Carpentiers „Die verlorenen Spuren“ -, erwuchs das spanisch- und portugiesischsprachige Programm, das zu den markantesten Pfeilern des Suhrkamp Verlags werden sollte.
Stelle bleibt unbesetzt, weil Strausfeld „unersetzbar ist“
Schon 1976, als die Frankfurter Buchmesse einen Lateinamerika-Schwerpunkt veranstaltete, erschienen bei Suhrkamp zu diesem Thema neunzehn Titel - Erstübersetzungen, Taschenbuchausgaben, Studien und ein Materialienband, herausgegeben von Mechthild Strausfeld, die kurz zuvor über Gabriel García Márquez promoviert hatte. Im Frühjahr darauf kamen weitere fünf Bücher hinzu. Der spanisch- und portugiesischsprachige Raum schien für Suhrkamp eine genauso natürliche Berufung zu sein wie die programmatische Distanz zu Nordamerika, und das Engagement war dauerhaft.
Im Laufe der Jahre wuchs auf dem Fundament ein imposantes Gebäude, aus Mechthild wurde offiziell „Michi“, weil spanische Zungen das leichter aussprechen können, und ständig fügte die Frau, die Scout, Talentsucherin, Vermittlerin, Betreuerin und Freundin in einem ist, dem Korpus wichtiger Suhrkamp-Autoren neue hinzu, von Juan Goytisolo bis zu Octavio Paz. 1981 gewann sie Jorge Semprún, im Jahr darauf, als Gabriel García Márquez den Nobelpreis erhielt, wechselte dank ihrer Initiative auch Mario Vargas Llosa zu Suhrkamp, und im November 1982 erschien dort Isabel Allendes Roman „Das Geisterhaus“, der erste Bestseller einer neuen Generation und das Buch, von dem Suhrkamp sich jahrelang ernähren konnte. Fast zwanzig Jahre später, als Michi Strausfeld „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón in einer Buchhandlung in Barcelona entdeckte und den Verlag zum Kauf der Rechte animierte, wiederholte sich der Triumph. 1,8 Millionen Exemplare des Buches sind auf Deutsch bislang verkauft worden.
Nach Michi Strausfelds Weggang werden sich die Enkel der Autorengeneration, mit der Suhrkamp sich einen Namen machte, eine andere Betreuung suchen müssen. Wie stark der Verlag noch an ihnen interessiert ist, wird sich zeigen. Thomas Sparr, der stellvertretende verlegerische Leiter, sagte zur Kündigung von Michi Strausfeld im Gespräch, der Suhrkamp Verlag hätte „gern mit ihr weitergearbeitet“, sie sei „weltweit die beste Kennerin lateinamerikanischer, spanischer und portugiesischer Verlage“. Die Stelle werde nicht neu besetzt, „weil Michi Strausfeld nicht ersetzbar ist“. Offenbar waren die Differenzen jedoch unüberbrückbar. Der lächerlichen Begründung des Verlags, die Trennung nehme doch nur die baldige Pensionierung vorweg, hätte es wahrlich nicht bedurft.