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Buchrezension : Der Samstag, an dem er Weltmeister wurde

  • -Aktualisiert am

Porträt des Dichters als junger Mann: F. C. Delius Bild: Brigitte Friedrich/Laif

Der Held und sein Wetter: Kurz vor seinem Tod hat Friedrich Christian Delius eine Bilanz seines literarischen Lebens vorgelegt.

          4 Min.

          Manchmal erzeugen literarische Texte Wirkung durch die bloße Nennung eines konkreten Datums. In diesem Fall ist es der 7. Mai 2022, kein historischer Tag vielleicht, aber ein besonderer im Leben des Schriftstellers Friedrich Christian De­lius. Ein sehr schöner Frühlingstag war das, so auch die erste Erinnerung des Rezensenten beim Lesen der Erwähnung des Datums, ein Tag zum Draußensitzen im Grünen schon. Ähn­liches hat Delius notiert. „Es war ein lieblicher Maientag, Silberwölklein flogen“: Das ist vielleicht nicht völlig ungewöhnlich, aber auch schon bemerkenswert, wenn es jemand schreibt, dessen germanistische Dissertation bei Walter Höllerer den Titel „Der Held und sein Wetter“ trug. (Diese Studie über „ein Kunstmittel“ und dessen „ideologischen Gebrauch im Roman des bürgerlichen Realismus“ wurde übrigens 1971 im Hanser-Verlag veröffentlicht und 2011 bei Wallstein neu aufgelegt.)

          Jan Wiele
          Redakteur im Feuilleton.

          Sorgt das Kunstmittel in der zitierten Tagebuchnotiz für ein romantisierendes Setting, fügt Delius ihr interessanterweise noch hinzu, sie stamme vom „Samstag vor dem Tag der Befreiung 2022“. Vom Tag vor einem historischen Tag also, dem für Deutschland vielleicht bedeutendsten Tag des zwanzigsten Jahrhunderts, erst recht für einen 1943 Geborenen, der zum Glück nicht mehr unter dem Nationalsozialismus aufwuchs und dessen Leben und literarisches Wirken immer wieder eng mit der Geschichte der Bundesrepublik verknüpft war, etwa in seiner Satire „Unsere Siemenswelt“ (1972), in seinem Roman „Mogadischu Fensterplatz“ (1987) oder der autobiographischen Erzählung „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ (1994).

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