FAZ.NET-Lesezeichen: „Die Lüge“ von Uwe Kolbe : Ganz der Sohn seines Vaters
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Bild: S. Fischer, Bearbeitung F.A.Z.
Am 20. Februar erscheint der erste Roman des Lyrikers Uwe Kolbe. Er heißt „Die Lüge“ und erzählt ein beklemmendes Vater-Sohn-Schicksal in der DDR. Lesen Sie einen Auszug im FAZ.NET-Lesezeichen.
Uwe Kolbe zählt zu den namhaftesten deutschen Lyrikern, und allein schon deshalb darf sein spätes Romandebüt – Kolbe ist sechsundfünfzig Jahre als – Anspruch auf großes Interesse erheben. Doch sobald man mit der Lektüre beginnt, muss man auch daran denken, dass Kolbe 1988 aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt ist – als Sohn eines Führungs-IM der Stasi. Genau diese Familienkonstellation ist Gegenstand des Romans „Die Lüge“.
Wer aber nun erwartete, dass Kolbe eine klare Trennung seiner beiden Protagonisten in Gut und Böse vornähme, sieht sich bald getäuscht. Vielmehr ist Hadubrand Einzweck, der Ich-Erzähler des Romans, in seinem Verhalten ein genaues Abbild eines Vaters Hildebrand. Beide sind skrupellos beim Verfolgen ihrer jeweiligen Ziele (beim Sohn, einem Komponisten, sind es künstlerische, beim Vater politische), beide schrecken nicht vor Verrat und Manipulation zurück, und beide haben auch einen immensen Frauenverschleiß. Zu einem Befreiungsakt kommt es bei Hadubrand nicht, weshalb es sich verbietet, „Die Lüge“ autobiographisch zu lesen.
Aber der Roman hat natürlich von Kolbes eigenen Erlebnissen profitiert. Unser Ausschnitt umfasst die Seiten 41 bis 47, den Schluss des zweiten Kapitels. Darin wird ein Anwerbeversuch der Stasi geschildert, den Hadubrand zunächst einmal leichten Herzens akzeptiert. Zugleich markiert diese Passage den Eintritt des Erzählers ins Erwachsenenleben und damit in die Verantwortlichkeit fürs eigene Tun. Seine Freundin ist schwanger, und so treten Privates und Politisches miteinander in Konkurrenz. Ob dieses Dilemma auszuhalten ist, steht im Mittelpunkt von „Die Lüge“. Die Antwort deutet der Titel schon an.