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Claudia Piñeiros Politthriller : Zur falschen Zeit am falschen Ort

Über der Hauptstadt Argentiniens hat sich was zusammengebraut: Buenos Aires im nächtlichen Gewitter. Bild: Picture-Alliance

Argentinisches Sittenbild inklusive Hexenfluch: Claudia Piñeiros Roman „Der Privatsekretär“ erzählt von der unheilvollen Verbindung von Macht und Missbrauch, Wirtschaft und Politik, Glaube und Aberglaube.

          2 Min.

          Dass Verheiratete in Argentinien gesellschaftlich höher stehen als Unverheiratete, wie Claudia Piñeiro nicht müde wird zu kritisieren, hat als Seitenthema nun auch Eingang in ihren neuesten Thriller gefunden. Denn da gibt es Politiker, die an ihrer Biographie herumfingern, um öffentlich Bella Figura zu machen. In der Politik geht es nach dieser Lesart eben nicht darum, wer man ist, sondern nur darum, wer man vorgibt zu sein. Die argentinische Schriftstellerin kennt die Materie ihres südamerikanischen Sittenstücks aus eigener Anschauung: Die Achtundfünfzigjährige hat als Journalistin gearbeitet, ehe sie ins lange Fach überwechselte und fortan Drehbücher, Kinderbücher und Krimis schrieb.

          Sandra Kegel
          Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.

          Die Themen sind geblieben, und in ihrer Heimat wird Claudia Piñeiro für ihre preisgekrönten Bücher gefeiert. Bei uns konnte man ihr als Vertreterin des argentinischen Gastland-Auftritts 2010 bei der Frankfurter Buchmesse begegnen. Nach ihrem Debütroman „Ganz die Deine“, der 2009 auf Deutsch erschien, und „Die Donnerstagswitwen“ (2010) über die Wirtschaftskrise, die Argentiniens Mittelschicht aus ihren behüteten Leben katapultierte, nimmt sich Claudia Piñeiro in ihrem neuen Buch die politische Kaste vor, und zwar buchstäblich aus den verschiedensten Blickwinkeln.

          Aus allen möglichen Gründen in der Politik

          Ihre Geschichte hat sie multiperspektivisch angelegt, die Kapitel werden aus der Sicht verschiedener Charaktere erzählt, die den Ereignissen immer neue Varianten hinzufügen. Dazu gesellt sich eine übergeordnete Erzählerfigur. Am Anfang des Romans lernen wir den titelgebenden „Privatsekretär“ kennen, Román Sabaté, der sich gerade auf der Flucht befindet. Dabei ist er nicht allein, sondern mit dem dreijährigen Joaquín unterwegs, dem Sohn seines einstigen Arbeitgebers Fernando Rovira. Sabaté war die rechte Hand des Politikers von der aufstrebenden, populistischen „Pragma“-Partei. Vor fünf Jahren, mit Anfang zwanzig, geriet Sabaté durch Zufall in die Politik und gelangte innerhalb kürzester Zeit ins Zentrum der Macht.

          „Man kann aus allen möglichen Gründen bei der Politik landen. Völlig zu Recht oder nicht ganz so. Oder auch aus Versehen, aus Nachlässigkeit, weil man nicht nein sagen kann, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war oder zur falschen Zeit am falschen“, beginnt Sabatés Rückblick auf seine Anfänge. Als der Ahnungslose begreift, was gespielt wird, muss er sich entscheiden.

          Die Journalistin China, die gerade an einem Buch sitzt und Sabaté zugetan ist, recherchiert die Hintergründe. Denn Fernando Rovira, der einst mit Finanz- und Immobilienspekulationen zu Geld kam, möchte Präsident des Landes werden – und dafür ist er bereit, jeden Preis zu zahlen. Seinem Plan, zunächst Gouverneur der Provinz Buenos Aires zu werden, steht allerdings entgegen, dass dieser Weg mit einem Bann, dem sogenannten Alsina-Fluch, behaftet ist. Einer Hexe zufolge kann niemand argentinischer Präsident werden, der zuvor Gouverneur von Buenos Aires war. Deshalb hat Rovira noch einen weiteren Plan.

          Die argenitinische Schriftstellerin Claudia Pineiro
          Die argenitinische Schriftstellerin Claudia Pineiro : Bild: Brigitte Friedrich

          Jeder braucht einen Job

          Die Verbindung von Macht und Missbrauch ist ebenso Thema des Romans wie die von Wirtschaft und Politik sowie Glaube und Aberglaube, worauf der spanische Originaltitel „Las Maldiciones“ anspielt. Geschickt baut Claudia Piñeiro Spannung auf, und stofflich ist der von Peter Kultzen aus dem Spanischen übersetzte Krimi packend. Umso bedauerlicher, dass er sprachlich hinter den Ansprüchen zurückbleibt.

          „Jeder braucht einen Job, und dass du unter die Besten gewählt worden bist, freut mich für dich, herzlichen Glückwunsch. Aber sobald du was anderes findest, solltest du schauen, dass du da rauskommst.“ Wie hier ein Onkel zu seinem Neffen spricht, klingt hölzern, weil damit vor allem Information an den Leser herangetragen wird. Und der immer gern zitierte Taxifahrer, hier ist es ein Chauffeur, sagt, stellvertretend für die Volksseele: „Wer Angst hat, sollte nicht in die Politik gehen. Angst ist nur was für uns, für die kleinen Leute. Die Politiker kommen doch gerade deshalb so weit, weil sie vor nichts Angst haben.“ Wenn es so einfach wäre.

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