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Islamismus : Salafisten machen die bessere Sozialarbeit

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Manche schaffen das Umdenken – aber wir müssen in ihrer Sprache mit ihnen reden: Junge Slafismus-Sympathisanten jubeln in Frankfurt dem umstrittenen Prediger Pierre Vogel zu. Bild: dpa

Wer Islamismus erst bekämpft, wenn er in Gewalt umschlägt, der kommt zu spät. Wir müssen in den Schulen anfangen, ihm das Wasser abzugraben – und zwar schnell. Ein Gastbeitrag.

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          Beinahe täglich erreichen uns Meldungen über die Verbrechen des „Islamischen Staates“. Der radikale Islamismus hat durch die Gewalttaten dieser Terrorgruppe eine neue Dimension erreicht. Seit langem ist klar, dass wir auch in Deutschland von der Gefahr des islamischen Radikalismus betroffen sind. Nicht nur, weil die Möglichkeit von innereuropäischen Anschlägen immer präsenter wird. Betroffen sind wir aber vor allem deshalb, weil der Islamismus auch bei uns Wurzeln schlägt.

          Die Anzahl junger Menschen, die bereit sind, für ihre radikalen Überzeugungen in den Krieg zu ziehen, steigt beständig. Auch die Zahl der Salafisten ist gestiegen. Sie liegt derzeit meiner Einschätzung nach bei etwa 10.000 Menschen. Das sympathisierende Umfeld ist aber noch um ein Vielfaches größer. Es liegt nahe, nun an die aktuellen Flüchtlingsströme zu denken, doch darum geht es hier nicht. Das ist ein humanitäres Thema. Valides Zahlenmaterial hierzu gibt es noch nicht, und seriöse Prognosen sind derzeit unmöglich. Mir geht es um Entwicklungen, die ich seit mehreren Jahren in Deutschland beobachte, bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, und denen wir entgegentreten müssen und können.

          Die „Generation Allah“ bildet die Basis für Radikalismus

          Blickt man auf die Radikalen, ist zwischen drei Gruppen unterscheiden: Ganz oben stehen Gruppierungen wie Al Qaida und der IS. Eine Stufe darunter stehen die Muslimbrüder. Auch ein Islamverständnis, wie es der türkische Staatspräsident Erdogan vertritt, gehört in diese Kategorie. Sehen müssen wir vor allem aber, was ganz unten an dieser Pyramide das Fundament bildet. Das sind diejenigen, die ich die „Generation Allah“ nenne. Menschen, die unter uns leben, Jugendliche, die vielleicht sogar den Salafismus ablehnen, deren Denken und mitunter auch Handeln aber nicht mit den Werten unserer Gesellschaft übereinstimmen und nicht mit der Demokratie vereinbar sind. Diese „Generation Allah“ bildet die Basis für den Radikalismus. Und diese Basis ist breit.

          Wenn ich von dieser Generation spreche, meine ich diejenigen, die vielleicht nicht im Fokus des Verfassungsschutzes sind, für die aber ideologische Inhalte und Werte Teil ihrer Identität geworden sind. Mitunter mögen es nur Teilideologien sein, aber bereits diese legen den Grundstein für ein Denken, das allzu leicht in Islamismus umschlagen kann.

          Mit all jenen, die Geschlechtertrennung befürworten, die Gleichberechtigung ablehnen, die an Verschwörungstheorien glauben, die antisemitische Einstellungen haben, die jeden Zweifel und jedes Hinterfragen des Glaubens ablehnen, mit all jenen, die Andersdenkende abwerten, müssen wir uns auseinandersetzen, auch wenn sie sich nicht explizit zum Islamismus bekennen. Gefährlich sind auch jene schleichenden Prozesse der Radikalisierung, die unsere Gesellschaft unterwandern. Von den Sicherheitsbehörden wie auch in der allgemeinen Wahrnehmung werden sie unterschätzt, weil sie sich nicht explizit eines Jargons der Gewalt bedienen. Demokratiefeindlich sind die von diesen Radikalen propagierten Inhalte aber dennoch. Wenn wir erst dort ansetzen, wo der Islamismus sich in gewalttätigen Aktionen zeigt, haben wir bereits verloren. Wir müssen uns mit der „Generation Allah“ auseinandersetzen! Sie ist der Pool, aus dem die Islamisten fischen.

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