Hitlers Schwurbelsyntax ist nicht das einzige Problem
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Olivier Mannoni, der französische Übersetzer von Hitlers „Mein Kampf“ Bild: Philippe Matsas//Laif
Olivier Mannoni, der französische Übersetzer von Hitlers „Mein Kampf“, beschreibt in einem nun erschienenen Essay die Herausforderungen seiner Arbeit.
Als 2016, siebzig Jahre nach Adolf Hitlers Tod, die Urheberrechte an „Mein Kampf“ frei wurden, entbrannte auch in Frankreich die Debatte um eine Neuausgabe. Das Verlagshaus Fayard wollte eine aktuelle Übersetzung mit historischem Apparat besorgen, vonseiten der Politik gab es Einspruch: „Nein! Nicht ‚Mein Kampf‘, wenn es schon Le Pen gibt!“, schrieb Jean-Luc Mélenchon auf seinem Blog. Sofort brach eine hitzige, ja brenzlige Diskussion aus. Auch Historiker übten Kritik, zum Beispiel die, dass eine Edition des Pamphlets den Erkenntnisstand der Forschung unterschreiten würde, indem sie die Schoa zur reinen Umsetzung eines Hitler-Programms machte, und nicht, wie die funktionalistische Deutung vorschlägt, als das Zusammenwirken diverser Instanzen mit sehr unterschiedlichen Motivationen analysierte.
Die Neuübersetzung erschien im Sommer 2021 dennoch: betitelt als „Historiciser le mal, une édition critique de ‚Mein Kampf‘“ (Das Böse historisieren, eine kritische Ausgabe von „Mein Kampf“), um jeder ideologischen Indienstnahme das Wasser abzugraben. Kritiker ließen sich unter anderem durch die Lektüre eines weiteren Blog-Eintrags beschwichtigen, dessen Autor sich vorab über die Ausgabe beschwerte, weil deren Apparat „das Produkt entarten“ würde – es war der verurteilte Holocaust-Leugner Robert Faurisson. Dieses Argument überzeugte ex negativo selbst Alexis Corbière, der Mélenchon nahesteht.
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