Hans Magnus Enzensberger : Warum die „Frankfurter Allgemeine Bücherei“ nicht erscheint
- Aktualisiert am
„Möchte, soweit es die Justiz zuläßt, meinem Beruf als Autor nachgehen” - Hans Magnus Enzensberger Bild: picture-alliance/ ZB
Die „Frankfurter Allgemeine Bücherei“, die vom Herbst an von Hans Magnus Enzensberger herausgegeben werden sollte, ist juristisch gestoppt worden. Im Interview spricht er über die Gründe, ihre Nachvollziehbarkeit und weitere Pläne.
Die „Frankfurter Allgemeine Bücherei“, die vom Herbst an von Hans Magnus Enzensberger herausgegeben werden sollte, kommt nicht zustande. In einem Rechtsstreit zwischen dem Eichborn Verlag und Enzensberger hat das Frankfurter Oberlandesgericht dem Schriftsteller die Tätigkeit als Herausgeber des Projekts im Hinblick auf die im Eichborn Verlag erscheinende „Andere Bibliothek“ untersagt. Die F.A.Z., die das Projekt zusammen mit dem Deutschen Taschenbuch Verlag geplant hatte, hat die „Frankfurter Allgemeine Bücherei“ daraufhin zurückgestellt.
Warum wurde das Projekt der „Frankfurter Allgemeinen Bücherei“ gestoppt?
Nicht wegen der Partner. Die Geschäftsführung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat die bestehenden Verträge erst nach dem Gerichtsbeschluß gekündigt, der mir meine Tätigkeit als Herausgeber untersagt, und sie hat sich vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es die Rechtslage erlaubt, das Projekt wiederaufzunehmen. Allerdings ließe sich ein verlorenes Arbeitsjahr nicht ohne weiteres aufholen. Aus diesem Grund stünde ich für diesen Fall als Herausgeber nicht mehr zur Verfügung. Der Deutsche Taschenbuch Verlag als zweiter Partner hat sich in der gesamten Auseinandersetzung sehr loyal gezeigt und wird sich bemühen, den entstandenen Schaden, soweit das möglich ist, zu begrenzen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt ist in seiner Entscheidung mit Blick auf die „Andere Bibliothek“ des Eichborn Verlags von einem „Wettbewerbsverbot“ ausgegangen. Können Sie diese Argumentation nachvollziehen?
Nein. Einige Autoren und Journalisten sehen darin ein kleines Berufsverbot. So weit möchte ich schon deshalb nicht gehen, weil ich fürchten müßte, mit weiteren einstweiligen Verfügungen dieser Art überzogen zu werden. Natürlich sind die Wege der Justiz unerforschlich. Zwar leben wir in einem Rechtsstaat, und insofern steht der Rechtsweg mir dankenswerter Weise offen: Verfahren in der Hauptsache durch drei Instanzen bis zum Bundesgerichtshof oder zum Verfassungsgericht, bei einem Streitwert, der die Gerichtskosten in ruinöse Höhen triebe. Damit wäre der Umgang mit zahllosen Gerichtsakten und Schriftsätzen von Anwälten für die nächsten paar Jahre meine Hauptbeschäftigung. Für Juristen wäre das zweifellos ein interessanter Fall, da es sich nicht allein um wettbewerbsrechtliche Fragen handelt, sondern auch um Verfassungsgrundsätze wie die Kunst- und Meinungsfreiheit und die Freiheit der Berufsausübung - Fragen, die das Oberlandesgericht nicht thematisiert hat. Leider kann und will ich einen solchen Gang durch die Instanzen nicht allein ausfechten. Lieber möchte ich, soweit es die Justiz zuläßt, meinem Beruf als Autor nachgehen.
Wie reagieren die Autoren? Was geschieht mit ihren Büchern?
Diese Frage war dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main keine Erwähnung wert. Natürlich hätte ich meine verlegerische Arbeit gerne weitergeführt, aber wenn das nicht möglich ist, kehre ich nicht ungern an meinen Schreibtisch zurück. Verpflichtet fühle ich mich unter diesen Umständen einzig und allein den Autoren, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben. Publikationsverbote sind in Deutschland nicht üblich, und ich denke, daß auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nichts dagegen hat, wenn ihre Bücher anderswo erscheinen. Dazu möchte ich, soweit ich kann, aber natürlich nur, soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main es mir nicht verbietet, den Autoren verhelfen.