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Maaßen und Beck : Das Recht als politische Waffe

Das Berufsbeamtentum schafft sich ab: Der Zurückhaltung fühlt sich Hans-Georg Maaßen im Ruhestand nicht mehr verpflichtet. Im Bundestagswahlkampf in Suhl ließ er sich von Thilo Sarrazin unterstützen. Bild: dpa

Hans-Georg Maaßen bleibt Mitautor eines Grundgesetzkommentars, der bei Beck erscheint. Verlag und Herausgeber sehen darüber hinweg, dass er das Recht als politische Waffe einsetzt.

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          Was hält Hans-Georg Maaßen von seinen Lesern? In einer Gesprächssendung des Kabelfernsehsenders TV Berlin bat jetzt der Interviewer, der ehemalige Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, „jemandem, der nicht Jura studiert hat“, zu erklären, warum die meisten in der Berliner Silvesternacht verhafteten Ver­dächtigen noch in der Nacht wieder auf freien Fuß ge­setzt worden seien. Statt die Anforderungen der Strafprozessordnung für die Anordnung der Untersuchungshaft zu erläutern, setzte Maaßen rechtssoziologisch an. „Richter wissen, sie sollen das tun, was politisch gewollt wird. Auch wollen viele Richter keine Probleme haben. Sie wollen nicht in den Medien vorgeführt werden, sondern machen das, was die Politik von ihnen erwartet.“

          Richter, die ihren Beruf in der von Maaßen be­schriebenen Haltung ausüben, könnten sich die Anschaffung des von Volker Epping und Christian Hillgruber herausgegebenen Kommentars zum Grundgesetz sparen, den C. H. Beck für 179 Euro verkauft. In diesem Band soll ja nur zusammengefasst sein, was Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu den Grundgesetzartikeln zu sagen haben, nicht aber, welche Auslegungsergebnisse sich Politiker wünschen. Die Zielgruppe des überversorgten Kommentarmarkts sind Rechts­­an­wender und Rechtsstudenten; auch dem Fast-Monopolisten Beck kann die Lesepublikumsbeschimpfung Maaßens nicht gleichgültig sein, dem im Epping/Hillgruber die Artikel 16 (Auslieferung) und 16a (Asylrecht) anvertraut sind.

          Zur Jahreswende hat der Bochumer So­zi­alrechtler Stefan Huster seinen Mitarbeitervertrag gekündigt, weil Verlag und Her­ausgeber an Maaßen festhalten. Sie se­hen ihn als einen durch Doktorarbeit und Beamtentätigkeit aus­ge­wie­senen Fachmann, des­sen Kom­­mentierung kunstgerecht ge­ar­beitet sei und nichts Verfassungswidriges ent­halte. Maaßens politische Kommentatorentätigkeit in Medien des rechten Randes bewerten sie als Privatsache, die sie weder billigen noch missbilligen wollen. An der Universität zu Köln wurde Maaßen 1997 mit einer Arbeit über „Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht“ promoviert. Im Bundesinnenministerium unter Otto Schily leitete er in der Abteilung Migration, Flüchtlinge, Integration, Europäische Harmonisierung das Referat Ausländerrecht.

          Öffentliche Kritik als politischer Druck

          In einem Artikel auf der Seite Geisteswissenschaften der F.A.Z. hatte Huster im August 2022 begründet, warum er nicht mehr zwischen zwei Buchdeckeln mit Maaßen erscheinen will. Der Beck-Verlag teilte daraufhin mit, er arbeite als juristischer Fachverlag „ausschließlich mit Personen zusammen, die auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“, und orientiere sich dabei „an den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten und vom Gesetzgeber übernommenen Kriterien“. Kein Verfassungsfeind: eine reichlich niedrige Schwelle für die Zulassung zur geschlossenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten mit Honorarvertrag. Die Herausgeber Epping und Hillgruber, Professoren in Hannover und Bonn, warfen Huster in einem Rundbrief an die übrigen Autoren vor, „den Verlag und die Herausgeber unter ungebührlichen politischen Druck zu setzen und in Misskredit zu bringen“. Sie legten dar, dass sie den Kommentar nicht als Gemeinschaftsunternehmen der Autorinnen und Autoren verstehen. „Jeder und jede ist insoweit allein für das verantwortlich, was er oder sie selbst von sich geben.“ Eine Stellungnahme gegenüber der F.A.Z. lehnten Epping und Hillgruber ab. Maaßen ließ die Einladung zu einem Streitgespräch mit Huster unbeantwortet, um sich weiter über seine unfaire Behandlung durch die Presse beschweren zu können.

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