Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Bienenstich wird ohne Biene und Stich zubereitet
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Endlich: Das Backbuch von Christian Hümbs ist eine Handreichung für die Herstellung von Kuchen auf wirklich gutem Niveau. Bild: Picture-Alliance
Tortendiagramme fördern das sensorische Denken: Mit seinem neuen Buch „Richtig gut backen“ hilft Christian Hümbs den Lesern über die klassischen Sahne- und Zuckermassen hinweg. Das kann sich schmecken lassen.
Lassen Sie sich von dem wenig reißerischen Titel nicht aufs falsche Gleis lenken! Christian Hümbs ist der Patissier des Restaurants „Haerlin“ im Hamburger Hotel „Vier Jahreszeiten“, einer der Großen seiner Zunft und nicht nur das. Er gehört in die ganz kleine Riege deutscher Köche, die wirklich Neues entwickelt haben. Als Hümbs im vergangenen Jahr auf dem Koch-Kongress „Chef-Sache“ in Köln vor einem großen Publikum von Kochstars, Journalisten und höchstinteressierten Privatköchen eine Kochvorführung gab, waren die versammelten Fachleute tief beeindruckt. Die große Spezialität von Hümbs sind „Crossover-Desserts“, also Desserts mit Produkten, die man sonst eher im herzhaften Bereich findet. Das klingt dann so: „Kopfsalat, weiße Schokolade, Gurke und Passionsfrucht“, oder „Zwetschge und gerösteter Hafer, Ayran, Estragon und Ras el Hanout“. Hümbs baut seine Teller so intelligent auf, dass dieser Typus von Desserts fast in ganz Deutschland kopiert wurde.
Und nun der Wermutstropfen. Von diesen Desserts gibt es im Buch nichts. Aber (ganz großes „Aber“) es ist dennoch ein sehr gutes Buch, weil Hümbs neben seinen Talenten als Avantgarde-Patissier noch andere hervorragende Eigenschaften hat. Er ist zum Beispiel extrem präzise und gut organisiert, hat eine sehr gute klassische Ausbildung und kann wegen seiner systematischen Denkweise sehr gut erklären.
Den Leser erwartet also endlich einmal eine Handreichung für die Herstellung von Kuchen und so weiter auf einem wirklich guten Niveau. Im herzhaften Bereich kann man Entsprechendes schon seit längerer Zeit finden. Hümbs gliedert seine hundert Rezepte in fünf Abschnitte. Bei „Schnell & Einfach“ geht es um allerlei Cupcakes (auch „Bananencupcakes“), Muffins und Cookies, darunter auch – so ändern sich die Zeiten – der berühmte Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern von Michel Bras (wenn auch in einer technisch etwas veränderten Form). Was bei dem französischen Kreativkoch vor rund drei Jahrzehnten einmal ein Avantgarde-Objekt war, erscheint hier und heute unter „Schnell & Einfach“.
Weg von den „alten“ Sahne- und Zuckermassen
Den Abschnitt mit „Internationalen Klassikern“ eröffnet ein „American Cheesecake“ in deutlich flacherer Form als manche Käsekuchen und mit effektiven Proportionen zwischen Boden, Käsezubereitung und – eine kleinen Besonderheit – einem Passionsfruchtgelee obenauf. Es folgen zum Beispiel eine „Piemontaiser Haselnusstorte mit Baileys“ von ähnlich durchdachten Proportionen, eine puristisch gehaltene „Tarte Tatin“ und ein Tiramisu mit „Amaretto-Mascarpone-Creme“. Der Abschnitt „Aus der Heimat“ hat den Untertitel „Bekanntes mit Twist“ und erfreut mit einem „Möhrenkuchen mit Mascarpone-Creme“, einem „Altländer Apfelkuchen mit Haselnusskrokant“ oder einer „Rhabarbertorte mit Baiserhaube“.
Einen Hauch von Avantgarde-Küche bekommt der Leser am ehesten im Abschnitt „Außergewöhnlich & Ausgefallen“ mit, der erst einmal eine Spezialität des Meisters zeigt, nämlich seine Kollektion von Macarons – zum Beispiel mit Litchi, Heidelbeere oder Zitronenverbene. Es folgen unter anderem „Grüntee Brownies“, eine „Kirschtarte mit Balsamico“ und ein „Aprikosenkuchen mit Buchweizen und Zitronenverbene“. Der Abschluss, „Beeindruckendes für Meisterbäcker“, ist dann wieder etwas klassischer („Herrensahnetorte“). Ein Abschnitt über Grundzutaten und Bezugsquellen rundet das Buch ab.