Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Wo bleiben Muskatnüsse?
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Wurst bei der Grünen Woche in Berlin Bild: dpa
Bei Stefan Wiesner in der Karpfenmortadella: Der Schweizer Meister der Naturküche sorgt mit originellen Wurstrezepten für den Salami-Effekt des puren Genusses.
Stefan Wiesner vom Restaurant „Rössli“ in Escholzmatt ist einer der profiliertesten Vertreter einer avantgardistischen Naturküche weltweit. Schon seit vielen Jahren praktiziert er in seltener Konsequenz das, was sich mittlerweile international in der kreativen Küche verbreitet hat, nämlich die Auseinandersetzung mit den Produkten der Region aus dem Blickwinkel avantgardistischer Küche. Seine Version der „Nova Regio“-Küche führt zu Rezepten wie dem „Nussbaum“, einer Variation unter Verwendung quasi aller Teile des Baumes, von der Wurzel bis zu den Blättern.
Wiesner ist ein Extremist und gleichzeitig sehr bodenständig. Er hat seine Wurzeln im traditionellen bäuerlichen Handwerk. Wer erlebt hat, wie er am Ende eines Menüs seine sensationelle Käseauswahl vorstellt, wird sofort merken, dass auch hier Avantgarde aus der besonders intensiven Beschäftigung mit dem Material entsteht.
Der Salami hinterherschmecken
In seinem neuen Buch geht es nun also um die Wurst. Wiesners Produkte sind handwerklich erstklassig gemachte Exemplare, die an beste regionale Produkte Frankreich oder Italien erinnern. Der Geschmack ist dabei einerseits typisch (zumindest bei den Würsten, die klassischen Formen nahestehen), andererseits von jener Individualität, die das Essen von Würsten und Co. zu einem hochgradig degustativen Ereignis machen kann. Man isst seine Salami am besten pur und schmeckt jeder Nuance hinterher.
„Wurstwerkstatt“ kombiniert einen handwerklichen Grundkurs, der eine große Menge von Details erörtert, mit originellen Ideen. Nach einer kleinen „Wurst-Familiengeschichte“ geht es zuerst an die Geräte und Hilfsmittel, also Fleischwolf, Wurstfüller, Trichter und Mörser, aber auch Kaffeemühle, Räucherpistole und Motorsäge (zur Gewinnung von geeignetem Holz für die Aromatisierung). Kapitel zwei widmet sich den Grundzutaten von Salz und Nitritpökelsalz über diverse Würzzutaten bis zu Produkten wie „Fische, Muscheln und Krustentiere“ oder „Gemüse“, die man in einem Wurstbuch nicht unbedingt vermutet.
Atmosphärische Bilder
Wie so oft bei Stefan Wiesner sind diese Grundlagen sehr systematisch erfasst. Viele Details verraten den Handwerker, der sein Wissen zusammenfasst und weitergibt, und nicht irgendeinen Autor, der Informationen journalistisch zusammenträgt. Wenn Wiesner etwa die neben den diversen Därmen ebenfalls „essbaren Hüllen“ vorstellt, geht das bis hin zu ausgehöhltem Gemüse oder gefüllten Tierteilen wie Schweinefüßen oder Mägen von diversen Tieren.
Es folgt der Rezeptteil, der erst einmal wegen ausgesprochen atmosphärischer Bilder gefällt. Häufig ist hier auch der immer mit einem Hut auftretende Meister im Bild, das aber meist bei der Arbeit. Präsentiert werden Wiesners individuelle Varianten. Die Balance zwischen klassischer Basis und aromatischen Erweiterungen ist hier stets so ausgewogen, dass sich ein überzeugendes Resultat ergibt.