Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Wie man nur so versessen auf Salat sein kann!
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An Romanesco kann man sich gar nicht sattsehen: Besonders angetan haben es Serge Schall die Kohlsorten. Bild: picture alliance / Mary Evans Picture Library
In Frankreich denkt man bei Gemüse nicht zuerst an Gesundheit, sondern an Genuss. Gärtner Serge Schall erklärt die feinen Unterschiede zwischen den Kohlsorten.
Nach den seltenen Obst- und Wildobstsorten in der vergangenen Woche nun ein sehr schönes Buch über das, was uns der Gemüsegarten bieten kann – natürlich auf einem Stand des Wissens, der der etwas fortgeschrittenen Diskussion entspricht. Es stammt von einem französischen Spezialisten, der sowohl Direktor eines einschlägigen Forschungsinstitutes wie Leiter eines großen Gartenbetriebes war und dann beschloss, sich mit seinen Kenntnisse in populär gestalteten Büchern an ein größeres Publikum zu wenden. Das gelingt hier ganz ausgezeichnet, und man merkt dem Buch außerdem an, dass es aus einem Land kommt, in dem man bei Gemüse nicht ganz so schnell an Bio, Alternatives und Gesundheit denkt
Insgesamt werden 350 Gemüse- und kleinere Fruchtsorten (meist Beeren) vorgestellt – mit einer knappen Einleitung zur Geschichte des Gemüses, der Konzeption eines Gemüsegartens und einigen Tipps und Tricks („Les bons gestes“). Die Vorstellung der Sorten ist dem Thema unterworfen, also nicht primär botanisch-lexikalisch angelegt, sondern wahrt den Blick auf eine gewisse kulinarische Praktikabilität. Mit Hilfe dieses Buches nähert man sich einer Stufe des Gemüsebewusstseins, wo „Karotte“ nicht mehr nur ein Oberbegriff für alles mögliche ist, das irgendwie so aussieht wie eine Möhre, sondern in einer ganzen Reihe von Varietäten dekliniert wird.
Und in der Küche?
Spezialisten werden zu Nachfragen angeregt sein – etwa nach wilden Formen, die manchmal erstaunlich spezifisch schmecken können. In diese Richtung geht das Buch allerdings nicht, es bietet also auch kaum Informationen, die für die Nova-Regio-Küche interessant sind. Vieles, was das Buch behandelt, kann der interessierte Gärtner im Samenhandel kaufen. Und dort wird er – anders als meist auf den Wochenmärkten – in guten Sortimenten eben auf verschiedene Varietäten treffen. So legt man den Grundstock für eine ausgeweitete Gemüseküche. Da viele Gemüse gerade im Handel sind, empfiehlt sich ein Blick auf die Sorten und ihren unterschiedlichen Geschmack.
Bei Serge Schall gefällt natürlich auch der französische Blick, der gewisse Schwerpunkte setzt. Besonders angetan haben es ihm die Kohlsorten. Das Spektrum reicht vom Rosenkohl über den Chinakohl (sieben Varietäten) und Rübchen (elf Sorten), Rotkohl, Grünkohl, Wirsing und Blumenkohl bis zu den Kohlrabi. Salat gibt es (unter der Überschrift: „Les bonnes feuilles de livre“) in 22 ganzseitigen Abbildungen und rund fünfzig Varietäten, was für eine Nation spricht, die sich auch dem ausgeweiteten Salat mit Inbrunst widmet und zum Beispiel Kombinationen von Salat und Foie gras kennt.
Selbstverständlich steigt die Intensität der Betrachtung auch bei den Zwiebeln noch einmal deutlich an, die zu lange ein Leben als Grundzutat geführt haben und eine sehr viel genauere Betrachtung verdienen. Für deutsche Verhältnisse nicht so überraschend ist die Liebe zu den diversen Varietäten von Radieschen und Rettichen, die hier durchaus umfangreicher behandelt werden als das eine oder andere mediterrane Gemüse – von der Tomate mit rund 35 Varietäten einmal abgesehen.