Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Ein Bratkartoffelverhältnis
- -Aktualisiert am
Hat Augen für die Kamera, aber den Geschmack nicht aufgegeben: Kolja Kleeberg vom Berliner Restaurant „Vau“ Bild: Picture-Alliance
Trotz seiner Liaison mit dem Fernsehen ist Kolja Kleeberg vom Berliner Restaurant „Vau“ seinem Handwerk nicht untreu geworden. Der frühere Schauspieler ist mehr als ein Sternekochdarsteller.
Kolja Kleeberg vom Restaurant „Vau“ am Berliner Gendarmenmarkt taucht zwar immer wieder im Fernsehen auf, hat sein Handwerk aber noch nicht komplett zu Unterhaltungszwecken instrumentalisiert. Es wohnen zwei Seelen in der Brust des Einundfünfzigjährigen. Kleeberg nahm vor seiner Kochausbildung Schauspiel- und Gesangsunterricht und war Regieassistent und Nebendarsteller am Stadttheater Koblenz. Das wiederum scheint die Macher dieses Buches bewogen zu haben, ihn auch in – sagen wir: schauspielaffinen Posen abzulichten.
Trotzdem oder gerade deshalb könnte man das Buch leicht übersehen – was ein Fehler wäre, weil Kleebergs Schaffen noch einen vergleichsweise seriösen kulinarischen Kern hat. Die Gerichte und die Erläuterungen im ersten seiner Bücher, das nicht im engeren Sinne der Sterneküche des „Vau“ gewidmet ist, sind oft interessant und nützlich.
Bemerkenswerte Rezepte
Die Einschränkung „oft“ hat etwas damit zu tun, dass die Ansichten eines ganz normalen Sternekochs (so etwas gibt es angesichts von Hunderten der Gattung) nicht grundsätzlich maximal erhellenden Charakter haben. Das Buch beginnt zum Beispiel nicht mit einem Rezept, sondern mit Ausführungen des Autors über „Die perfekte Bratkartoffel“. Das ist durchaus detailliert und nützlich, aber nicht vollständig. Es fehlen klare Angaben zu den Kartoffelsorten, und das Ablehnen des Bratens in Butter (wegen der negativen Folgen zu großer Hitze) ist etwas kurzsichtig. Kleeberg frittiert seine Bratkartoffeln quasi. Man kann das so machen, aber auch das völlige Gegenteil praktizieren, also das Braten fast ohne Fett. Dass die besten Bratkartoffeln oft solche sind, die als unregelmäßige Stücke unregelmäßige Röstnoten abbekommen, kommt erst gar nicht vor.
Insgesamt gilt aber: Die Erläuterungen bieten etwas, das sich in vielen vergleichbaren Büchern nicht findet. Einige weitere Überschriften lauten „Die Sache mit dem Ei“, „Dosenfutter erlaubt“, „Mehr als Salz und Pfeffer“, „Rückwärtsgaren oder ‚das perfekte Steak’“ und „Kross und knusprig“.
Noch bemerkenswerter sind die Rezepte. Sie reichen von überarbeiteten Klassikern wie den „Königsberger Klopsen vom Kalb mit Rote Bete, Orangenmarmelade und Dill“, „Mozzarella-Hackbällchen“ und „Fisch in Salzkruste“ bis zu differenzierten Kleinigkeiten („Quick & Easy“) wie dem „Lauwarmen Salat von der Maishähnchenbrust mit Maisplätzchen, Haselnuss und Majoran“ nebst jungen Karotten, Dill und Kopfsalatblättern. Das Kontrastprogramm zu „Quick & Easy“ nennt sich „Slow & Fine“ und bietet Gerichte wie „Kleebergs Spezialbrot“, bei dem bewusst mit der unterschiedlichen Textur verschiedener Brotsorten in einem Gericht gearbeitet wird.
Die bürgerlich-grobe Bratwurst, die sehr wohl als Hauptprodukt verwendet werden kann, bekommt mit Mandeln, Salbei und einem Marzipan-Kürbis-Püree eine gründlich alternative Begleitung. Leider sind ein paar interessante Gerichte wie der „Geschmorte Schweinebauch“ mit einem wahrlich vielfältigen Linsensalat und einer komplexen Gewürzpaste für die Kruste oder auch das „Rippenstück vom Schwein mit Schmalzgraupen, Paprika und Zitronen-Sellerie“ nicht adäquat bebildert. Überhaupt ist das Buch nicht besonders liebevoll gestaltet.