Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Rotkohlsaft vom Feinsten
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Fermentiert schmeckt sein Saft wie eine Essenz aus einer anderen kulinarischen Welt: Rotkohl. Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Falkenstein
Heiko Antoniewicz ist ein großer Spezialist für moderne Kochtechniken. In seinem neuen Buch widmet er sich der Fermentation von Lebensmitteln – vor allem für die vegetarische Küche ist das eine gute Nachricht.
Das Thema „Fermentation“ ist unter kochtechnischen Aspekten seit einigen Jahren die Nummer 1 und interessiert neben Profis auch viele Privatköche. Ein wichtiger Grund dafür könnte sein, dass man mit Hilfe fermentierter Produkte gerade in die Gemüseküche, in die vegetarische und die vegane Küche mehr „Farbe“ bekommt. Wie darf man sich die Wirkung vorstellen? Eines der beeindruckendsten Erlebnisse habe ich erst kürzlich wieder bei dem niederländischen Drei Sterne-Koch Jonnie Boer von der „Librije“ in Zwolle gehabt. Boer hatte schon vor Jahren über die Universität Zwolle und mit Hilfe japanischer Fermentierungsbehälter seine Forschungen aufgenommen. Heute präsentiert er eine ganze Reihe von bestechend guten Gerichten. Ein einfaches Beispiel: sein fermentierter Rotkohlsaft schmeckt wie eine Essenz aus einer anderen kulinarischen Welt.
Man erkennt sofort, dass es Rotkohl ist, bekommt dann aber einen faszinierenden aromatischen Hintergrund, der mit keiner Würze, nicht mit Glutamat oder sonstigen Zugaben vergleichbar ist. Kein Wunder also, dass zum Beispiel René Redzepi gleich eine ganze Abteilung für Fermentation in einem weiteren Haus in der Nähe seines Restaurants „Noma“ in Kopenhagen unterhält.
Nun ist das Buch „Fermentation“ von Heiko Antoniewicz erschienen, dem großen deutschen Spezialisten für die modernen Kochtechniken und sehr fleißigen Buchautor, der erst im März mit seinem Buch „Rohstoff“ geglänzt hat (nachzulesen im Esspapier vom 30. April). „Fermentation“ ist noch ein wenig besser und interessanter als „Rohstoff“, weil hier eine ebenso alte wie hochaktuelle Technik mit immer noch kaum überschaubaren Auswirkungen auf den Fortgang der Küche und sehr gute Anleitungen zusammen kommen. Mit an Bord ist auch der Molekularbiologe Michael Podvinec, der zunächst und auf rund vierzig Seiten diese im Grunde archaische Technik erläutert. Es geht zum Beispiel um „Die Geschichte der Fermentation“, „Vor- und Nachteile der Fermentation“, um „Arten der Fermentation“ oder um „Fermentation heute“. Das ist sehr aufschlussreich – auch weil einer der größten internationalen Experten, Sandor Ellix Katz, einige Kommentare beisteuert, etwa den Hinweis, dass nicht jedes fermentierte Produkt zwangsläufig säuerlich wie Sauerkraut oder eingelegtes Gemüse schmecken muss, sondern die Fermentation natürlich auch zeitlich begrenzt eingesetzt werden und sehr sensibel „dosiert“ werden kann.
Wenige Tage oder ganze Monate
Die Rezepte schaffen eine prächtige Übersicht über alle möglichen Richtungen, die man mit Hilfe fermentierten Produkte einschlagen kann. Hier ein paar Gerichte: „Saurer Rotkohlsaft und eingemachter Rotkohl, Makrele, Joghurt“, „Kalbshaxe, Pastinake, Pimpernell“ (mit zweierlei fermentierter Pastinake), „Matjes, Sedum, Ananas, Rauchfumet“ (mit einer neuen Technik für die Matjes), „Shiitake-Pilze, Bohnencreme, Avocado“ (mit den Pilzen in einer Fermentierung, die nicht von Milchsäurebakterien, sondern von wilden Hefen bestimmt ist und dann wesentlich milder ausfällt), oder auch sozusagen der Klassiker bei „Sauerkraut, Taubenpastrami, Senfkörner“. Das Spektrum ist groß, aber sehr sinnvoll auf den Punkt gebracht. Im Unterschied zu manchen seiner anderen Bücher hält sich Antoniewicz mit der Menge der Elemente deutlich zurück. Der Stil hat natürlich eine Nähe zur Avantgarde, weil das aromatische Bild sich fast immer deutlich von Herkömmlichem unterscheidet.