Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Wie finden Sie rohe Rüben auf Salat?
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Wurzelgemüse, die Underground-Beilage: Vielen waren Karotte, Pastinake und ihre Verwandten nicht fein genug für den gutbürgerlichen Tisch. Gut, dass sich das gerade ändert. Bild: Matthias Lüdecke
Bürgerliche Wirte, die ihren Gästen kein Wurzelgemüse zumuten, kennen die Kundschaft vielleicht doch nicht. Usch von der Winden macht Erdenreste schmackhaft.
Es geht bei vielen Produkten nach wie vor darum, beträchtliche Wissenslücken zu schließen. Sie sind entstanden, weil an den beiden Polen der Kochkunst, in der bürgerlichen Küche und in der Gourmetküche, Nachlässigkeiten einzogen. Die Wurzelgemüse zum Beispiel waren der einen Seite lange Zeit nicht „fein“ genug, um sich ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Der anderen Seite wichen sie oft zu weit vom Mainstream ab; sie kamen nicht in Frage, weil ihre Kundschaft Abweichungen überhaupt nicht schätzt. Es ist nun die Frage, von welcher Seite aus man die Lücken schließen sollte. Ist es besser, Steckrübe, Pastinake und Co. in so süffigen Rezepten zu verpacken, dass sie in das Angebot „ganz normaler“ Restaurants und die häusliche Küche integriert werden können, oder sollte man der Begegnung mit ungewohnten Aromen erst einmal möglichst viel Platz lassen, um nicht gleich wieder aufs neue in eine allzu enge Sicht zu verfallen?
Usch von der Winden eröffnet den Reigen herbstlich-winterlicher Bücher mit einem Blick auf einen eher knappen Kanon von Produkten von der Karotte und der Roten Bete über die bisher eher selten beachteten Steckrüben und Zuckerrüben bis zu Schwarzem Rettich, Schwarzwurzel und Meerrettich. Ihre Neugier gilt nicht so sehr der Sortenvielfalt, vielmehr ist ihr Ziel eine Befriedung der Ressentiments, die sich in der bürgerlichen Küche oft noch gegen kohlige und erdige Aromen richten. Nach einer Vorstellung der Grundprodukte gelingt ihr das in einer guten und anregenden Weise.
Viel Aroma landet im Kochwasser
Das Spektrum der Rezepte reicht von den „Aromatisierten Roten Bete mit Beefsteakstreifen“ über ein „Carpaccio von frischer Rübe“ (mit einer Basis von Mai-/Herbstrübchen und Aromen etwa von Sternanis, Balsamico, Muskat und Parmesan) bis zu beträchtlichen Aromenverschiebungen gegenüber den Standards wie beim „Lammrückenfilet auf Rübstielblättern und gewürfelten Speiserübenkartoffeln“. Der Winterkabeljau (Skrei) wird von einem Zuckerrüben-Kartoffel-Gemüse mit klassischem Aufbau und dezenter Anreicherung von Kürbiskernen und Majoran begleitet, und der schwarze Rettich bekommt einmal eine asiatische Note mit Garnelen, Sesam und Sojasauce, dann aber auch einen eher klassischen Rahmen bei den „Schollenfilets auf mariniertem schwarzen Rettich“. Der Innovationsgrad schwankt, weil auch vergleichsweise normale Kombinationen wie „Rehrücken mit Sahne-Schwarzwurzeln“ oder ein „Kohlrabigratin mit Kalbskotelett“ im Programm sind.
Zwei Punkte gibt es anzumerken. Einmal wünscht man sich hier und da eine etwas präzisere Kochtechnik und einen entsprechenden Aufbau der Gerichte, damit die Produkte wirklich glänzen können. Wenn beim Steckrübeneintopf Steckrübe, Kastanien, Kartoffeln, Karotten und Quittenstücke gleichzeitig für 25 Minuten in den Topf kommen, sind die sehr unterschiedlichen Garzeiten nicht berücksichtigt, was dazu führen kann, dass sich die Steckrübenwürfel weitgehend auflösen. Oder: es ist fraglich, ob man dünne Pastinakenscheiben wirklich sinnvoll zehn Minuten blanchieren, dann das Wasser abgießen und erst danach anbraten sollte. Gerade vom Wurzelgemüse landet allgemein oft viel Aroma unnötig im Kochwasser. Minimale Flüssigkeitsmengen und etwas mehr Geduld sind da in der Regel besser.