Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Siebzig Seiten über Saucen
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Bild: Matthaes
Vor knapp zwanzig Jahre erschien Harold McGees „On Food and Cooking“. Jetzt endlich liegt die deutsche Übersetzung des Buches vor – es ist ein Standardwerk par excellence.
Endlich ist es soweit: Harold McGees „On Food and Cooking“ erscheint in deutscher Übersetzung. Ursprünglich kam dieses erste, wirklich bedeutende Werk, das eine naturwissenschaftliche Sicht auf die Küche bietet, schon 1984 heraus. Die nun veröffentlichte deutsche Ausgabe bezieht sich auf eine Neuauflage von 2004. Doch obwohl sich seitdem viel Neues getan hat, ist dieses Buch nach wie vor aktuell, und zwar vor allem wegen der gnadenlos neugierigen Sicht des Autors auf alles, was mit der Küche zu tun hat. Nur eine Kleinigkeit vorab, die beim ersten Durchblättern gleich ins Auge springt: Warum riecht der Meerfisch so gut und frisch nach Meer? Wegen der Bromophenole, die dann üblicherweise ein Zuchtfisch nicht hat, weshalb er matter schmeckt - es sei denn, man fügt seinem Futter Bromophenol hinzu. Und warum haben manche Süßwasserfische einen modrigen Geschmack? Es liegt am Geosmin und am 2-Methylisoborneol. Methylisoborneol? Nun, McGee erforscht so etwas nicht nur, sondern sucht auch immer de Bezug zur Praxis. Die beiden Modernoten finden sich vor allem im dunklen Muskelfleisch der Fische. Wenn man das beseitigt, schmecken sie nicht mehr nach Moder.
Der Aufbau des wie ein Lexikon wirkenden und quasi nicht bebilderten Werkes orientiert sich an den Produkten. Die Spanne reicht von Milch und Milchprodukten über Eier, Fleisch und „Essbare Pflanzen“ bis zu „Zucker, Schokolade und Süßwaren“ und „Wein, Bier und Spirituosen“. Erst gegen Ende geht es um „Garmethoden und Kochutensilien“ (ein Thema das zum Beispiel bei Nathan Myhrvold in „Modernist Cuisine“ eine wesentlich größere Rolle spielt) und – im Anhang – widmet sich McGee auch der „Auffrischung von Chemiekenntnissen“.
Zum Beispiel die Gelees
Das klingt vergleichsweise normal, aber die Details haben es in sich. Das Kapitel über Saucen etwa ist siebzig Seiten lang und beginnt mit einer „Geschichte der Saucen in Europa und Antike“. Dann folgt die „Saucenwissenschaft: Geschmack und Konsistenz“, die unter anderem erläutert, wie die Konsistenz den Geschmack beeinflusst. Es folgen Unterkapitel über verschiedene Herstellungsweisen, also „Mit Gelatine und anderen Proteinen angedickte Saucen“, „Feste Saucen: Gelees“, „Mit Mehl und Stärke angedickte Saucen“, „Mit Pflanzenpartikeln angedickte Saucen – Pürees“, „Mit Öl- oder Wassertröpfchen angedickte Saucen – Emulsionen“ und „Mit Bläschen angedickte Saucen: Schäume“.
Gehen wir noch ein Stück tiefer in die Details, zum Beispiel bei den Gelees. Hier geht es zuerst um das natürliche „Aspik: Gelee aus Fleisch und Fisch“. Ihm folgen „Gelatine aus industrieller Herstellung“ und „Geliermittel auf der Basis von Kohlehydraten: Agar Agar, Karrageen und Alginate“, ein Kapitel, das den Anschluss an die Moderne herstellt – auch, wenn in ihm nicht alles vorkommt, was in den letzten Jahren etwa in der Molekularküche diskutiert wurde. Im natürlicheren Fach, also zum Beispiel bei den „Essbaren Pflanzen“ wird besonders die Praxisnähe der Arbeit McGees deutlich. Er arbeitet lexikalisch und ohne ein bestimmtes kulinarisches Programm (wie das in „Modernist Cuisine“ teilweise der Fall ist) an der Vertiefung der Kenntnisse im Umgang mit den Produkten.