Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Kulinarische Intelligenzbrötchen
- -Aktualisiert am
Rote Bete, rote Bohnen, rote Zwiebel: Alain Passard, der Weltstar der Gemüseküche, hat einen „Purpur-Burger“ zur Auswahl von Thérèse Rocher beigetragen. Bild: Edition Fackelträger
Hamburger à la Française: Sterneköche überlisten den Fastfood-Imperialismus mit Bressetaubenfleisch, Reismehl, Stockfisch und Bärwurz.
Sensorisch ist der Hamburger eine Fehlkonstruktion. Natürlich ist es praktisch, den Inhalt mit zwei Griffschalen aus Brot zusammenzuhalten, weil man ihn dann – zumindest theoretisch – auch ohne Besteck und im Gehen essen kann, jedenfalls den Grundhamburger mit seinem sehr begrenzten Inhalt. Bei den größeren Exemplaren funktioniert der Biss allerdings leicht wie eine Presse, die mit ziemlicher Sicherheit Sauce oder sonstige Partikel auf den Boden, die Kleidung oder den Tisch befördert.
Vor allem sorgen die Griffschalen aber dafür, dass die Proportionen zwischen Brot und dem Rest stark zugunsten des Brotes verschoben werden. Und weil das Brot meist recht weich ist, ergibt sich ein Gematsche, bei dem der eigentliche Inhalt undifferenziert vermischt wird. Ob das Fleisch gut, schlecht oder katastrophal ist, Bio, Nicht-Bio oder Wagyu, kann man nie feststellen. Und trotzdem verbeißen sich immer wieder auch bessere und beste Köche in diese Konstruktion und versuchen, Besseres als die Fastfood-Ketten zu erreichen.
Des klassischen Inhalts beraubt
In diesem ursprünglich 2014 in Frankreich erschienen Buch ist es gleich eine beeindruckende Schar von Spitzenköchen, und sie kommen aus allen Lagern. Armand Arnal ist darunter, der Bio- und Naturkoch aus der „Chassagnette“ in der Camargue, die Drei-Sterne-Köche Georges Blanc, Marc Haeberlin, Régis Marcon, Alain Passard und Guy Savoy und allerlei Namen aus der zeitgenössischer denkenden, jüngeren Garde wie Adeline Grattard, Sébastien Bras, Jean-Luc Tartarin oder Mauro Colagreco. Sie haben offensichtlich einigen Spaß bei der Arbeit gehabt, und sie haben zum überwiegenden Teil das oben genannte Grundproblem verstanden und andere, teilweise überraschende Lösungen gefunden.
Grundsätzlich aber sind sie davon ausgegangen, dass Brot in einer adäquaten Form zu allem passt, was die Küche hergibt, also auch zu den klassischen Luxusprodukten wie Foie gras. Die Idee des Hamburgers wird in vielen Fällen auf die Form reduziert und des klassischen Inhaltes (also des Fleisches) beraubt. Übrigens sind die hier vorgeführten Hamburger nach deutschem Lebensmittelrecht oft nicht korrekt bezeichnet.
Schnecken vom Wegesrand
Das Buch hat also sozusagen legal grenzwertige Inhalte, macht aber beim Lesen viel Vergnügen. Hier eine kleine Rundreise. Armand Arnal verändert natürlich das Brötchen (rotes Reismehl aus der Camargue) und stellt ein Patty aus Mangold her. Eine andere Fassung mit Fleisch vom örtlichen Kampfstier hat eine Focaccia-Variante als Grundlage und ansonsten vorwiegend kräftig mediterrane Aromen. Georges Blanc bietet einen Bresse-Burger mit Basilikum und Joghurtsauce an sowie einen mit Krebsfleisch und exotischen Gewürzen, wobei er – wie fast alle Kollegen hier – das Brötchen selbst backt. Entsprechend leicht fällt es aus.
Sébastien Bras verwendet eine Art Brotkugel aus Paniermehl und verschiedenen Gewürzen für seine Fassung mit Stockfisch und Bärwurz. Von Mauro Colagreco gibt es ein mit schwarzer Sesampaste gefärbtes Brötchen plus Bonito nebst asiatischen Zutaten. Bei Christoph Dufaut und seinem Auberginen-Burger sind schon die Buns aus Aubergine und haben nur noch einen minimalen Mehlanteil. Von Arnaud Faye kommt ein wunderschön anzusehender Schnecken-Burger als „Spaziergang durch Wald und Feld“, und Marc Haeberlin glänzt mit einem sehr durchdachten „Matzen-Burger mit Pickelfleisch und Pastrami“. (Der Matzen ist ein Brotfladen aus der jüdischen Küche.)