Kochbuchkolumne „Esspapier“ : Was man aus Nesseln alles machen kann
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Man kann sie auch roh essen – wenn man sie vorher püriert: Brennnessel Bild: Picture-Alliance
Für unsere Ohren klingen die Rezepte noch kreativer als in ihrer Heimat selbst: Ein Koch und eine Spezialistin für Pflanzenheilkunde aus Schweden haben „Das Wildkräuter Kochbuch“ geschrieben.
Das Buch stammt aus Schweden, muss aber nicht unbedingt im Zusammenhang mit der neuen nordischen Küche gesehen werden. Es gibt in den skandinavischen Ländern ein ausgeweitetes „Jedermannsrecht“, das es den Bürgern in einem wesentlich intensiveren Maße gestattet, die Natur im wahrsten Sinne des Wortes zu nutzen. Selbstverständlich gibt es dort auch Pflanzen, die unter Naturschutz stehen. Aber insgesamt hat sich eine ganz andere Kultur des Sammelns und Nutzens von Naturprodukten gehalten, als es bei uns im dicht besiedelten und zersiedelten Mitteleuropa der Fall ist.
Dieses Buch, das von einem Koch und einer Spezialistin für Pflanzenheilkunde geschrieben wurde, zeigt eine Menge von der Substanz, die sich ergibt, wenn man nicht mal eben auf einer Modewelle reitet, sondern sich schon lange mit dem Thema Wildpflanzen beschäftigt. Dass es im Stil ein wenig foodbloggerisch, sozusagen „von Mensch zu Mensch“ geschrieben ist („Birkensaft schmeckt wie ... naja, süßes Wasser“), sollte man nicht negativ bewerten. Auch das gab es in Skandinavien schließlich schon lange, bevor es bei uns in Mode kam.
Ein erfreulich frisches Buch
Wie sehr dieses Buch auf Traditionen setzt, merkt man nicht unbedingt an traditionell wirkenden Rezepten, sondern vor allem an einem Geschmacksbild, das in Deutschland noch nicht intensiv vermittelt ist. „Knäckebrot mit Waldsauerklee, Spargel und Gänseblümchen“ gibt es da oder „Hering mit Fichtentrieben“, „Speckröllchen mit mariniertem Flussbarsch, Rosenblüten und Wiesenklee-Salat“ oder eine „Grünkohlsuppe mit Austern, Speck und Süßdolde“. Für unsere Ohren klingt das viel kreativer als in Schweden selbst.
Der Aufbau des Bandes richtet sich nach den Jahreszeiten. Den Beginn macht ein Kapitel namens „Schätze der Natur“ mit allen notwendigen handwerklichen Grundlagen vom Sammeln bis zum Konservieren. Dann folgen „Frühling“, Frühsommer“, „Hochsommer“, „Spätsommer“, „Herbst“ und „Winter“, jeweils erstaunlich inhaltsreich und erkennbar an täglicher Praxis geschult. Es beginnt pro Kraut mit einer kurzen Darstellung der Merkmale und des Standorts. Dann folgen – jeweils getrennt – die Kommentare der Pflanzenspezialistin und des Kochs, wobei die des Letzteren eher knapper sind, während die der Pflanzenspezialistin in viele, manchmal auch eher erlittene Details gehen. Zitat: „Man kann Brennnesseln auch roh essen – wenn man sie vorher püriert. Dann werden die kleinen Nadeln zerstört, die das ätzende Nesselgift enthalten. Ich habe auch schon einmal ausprobiert, ein Blatt so zu kauen, aber das kann ich niemandem weiterempfehlen!“
Am Ende der Kapitel folgen dann die Rezepte des Kochs, zum Beispiel „Brennnessel-Suppe mit Kardamom“ – ein typisch kompaktes Rezept, zu dem auch immer noch Erweiterndes oder Alternativen genannt werden. Ein weiteres Beispiel: Unter „Frühling im Glas“ findet sich die Kollektion „Brennnessel-Smoothie“, „Birkensaft-Drink“, „Winterkresse-Salz“, „Brennnessel-Salz“, „Orangen-Süßdolden-Marmelade“, „Winterkresse-Öl“, „Mädesüss-Mayonnaise“, „Hain-Veilchen-Salz“, „Bärlauch-Essig“ und „Birkenblatt-Zucker“. Ein Beleg dafür, was möglich ist, wenn man wirklich alle Fundstücke intensiv nutzen will.