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Eric Schmidt: „How Google Works“ : Die Zeit der Manager ist vorbei

  • -Aktualisiert am

Tausendmal mehr verdienen als der Nachbar: Eric Schmidt, einer der mächtigsten Wirtschaftsführer der Welt Bild: Reuters

Wenn Eric Schmidt ein Buch vorlegt, liest das die ganze Welt. Denn keiner wirkt so überzeugend wie der Aufsichtsratschef von Google, wenn es darum geht, die Zukunft zu erklären. Nur wie sieht sie aus?

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          Der Titel dieses Buches – „How Google works“ – ist vielversprechend, aber völlig untertrieben. Denn eigentlich prangt über Eric Schmidts dieser Woche vorgelegter, 350 Seiten langer Predigt eine klare Ansage: „Die Welt kann nur so und nicht mehr anders im Internet-Jahrhundert funktionieren!“ Bevor Schmidt, heute Aufsichtsratschef des IT-Großkonzerns, aber richtig loslegt, lässt er sich erst einmal von seinem Ko-Autor, Jonathan Rosenberg, ebenso Google-Manager, vorstellen – mit einem Rückblick ins Jahr 2002.

          Damals ist Schmidt noch neu bei Google. Er war zuvor Chef von Novell und technischer Leiter bei Sun Microsystems. Dann ereilt ihn der Google-Ruf, dem er begeistert folgt, der ihn in ein enges Büro führt, das er sich obendrein habe teilen müssen. Ein merkwürdiger Einstieg für jemanden, der als neuer Chef engagiert wurde. Was sollte er hier, was wollte Google von ihm?

          Die Google-Gründer wehrten sich gegen Manager

          Noch vier Jahre nach ihrer Gründung 1998 hatten Larry Page und Sergey Brin nicht einsehen wollen, dass sie überhaupt ein Management brauchten. Nur die Investoren hielten es für notwendig, und Google sollte an die Börse. Also suchten die Gründer einen Manager und fanden zu ihrem Glück auch einen Ingenieur. Bevor Schmidt Unternehmenslenker wurde, schrieb er Software. Unter anderem war er an der Entwicklung der Programmiersprache Java beteiligt. Das qualifizierte ihn für Google, das damals rasant wachsende Unternehmen ohne Hierarchie, Businessplan und Pressearbeit – aber mit dem Ziel, Microsoft in die Knie zu zwingen.

          Larry Page habe es Eric Schmidt damals deutlich gesagt: „Sprich mit den Ingenieuren!“ Was im unausgesprochenen Nachsatz bedeutete: Delegiere nicht, schränke niemals ihre Freiheit ein und langweile sie nicht mit Meetings. Management sei damals eine schlichte Sache gewesen, berichtet Schmidt heute mit einer eindrücklichen Anekdote: Larry Page googelte eines Abends, druckte die Suchergebnisse aus, notierte darauf, was ihm absolut missfiel, heftete den Ausdruck an die Wand und ging heim.

          Bild: siehe Verlag

          Alle Mitarbeiter, die an dem Ausdruck vorbeiliefen, wussten, was sie zu tun hatten. Es folgten Grüppchenbildungen, Arbeit mit Höchstgeschwindigkeit und die Präsentation raffinierterer Technik wenige Tage später. So, schreibt Schmidt, arbeiten Googles Mitarbeiter bis heute. Kaum Hierarchien, selbstbestimmte Planungen, freiwillige Sprechstunden und Freizeit für eigene Ideen. Aber Schmidt versteht sein Buch nicht als Management-Ratgeber, sondern als Wegbereitung in eine unausweichliche Zukunft.

          „Smart creatives“ bestimmen die Unternehmen

          Man könne seine Zeit mit Businessplänen verschwenden, doch „sie sind alle falsch“. Die Zeit der Manager sei vorüber, die „smart creatives“ übernähmen. Es sind junge Menschen, die nicht notwendigerweise gute Zeugnisse haben, die aber in zehn Sekunden sagen können, was sie wollen, die Technologien durchdringen, nie zuerst ans Geld denken, aber ohne schlechtes Gewissen das Tausendfache ihrer Nachbarn verdienen – weil sie es wert seien.

          Seitenlang beschreiben Schmidt und Rosenberg den revolutionären Idealtypus des „smart creative“ als Übermenschmaschine, die niemals kleinkariert denkt, sondern immer, wie bei Google gefordert, „ten times bigger“. Die bedeutendsten Vorbilder – Steve Jobs, Larry Page, Michael Jackson – eint, dass sie alles für den Nutzer tun, weder Marketing noch Marktforschung brauchen und absolut detailversessen sind. Schmidt beschreibt hier keine Menschen, sondern eine Welt, die eingeteilt ist in „Googlers“ und „Nooglers“. Ohne „Googleyness“ komme niemand weiter. Vint Cerf, vor vierzig Jahren maßgeblicher Entwickler der Netzwerkprotokolle des Internets, kam nicht zu Google, um sich auszuruhen, schreibt Schmidt stolz. Nach der Erfindung des Netzes arbeite Cerf heute an der Schaffung des „interplanetaren Internets“, er denke fünfundzwanzig Jahre voraus.

          Nur der Wettbewerb bleibt übrig

          Schmidts Zukunft ist ohne Alternative. Die Plattformökonomie revolutioniert alles. „Wer heute noch an Marken und Institutionen festhält, hat verloren. Wir kennen keine Industrie, die den Wandel nicht fürchten muss“, schreibt Schmidt. Die Medienhäuser habe es nur als Erstes erwischt. Die Knappheits-Prämisse gebe es in keiner Branche mehr. Information, Vernetzung und Computerleistung sind das Maß der modernen Ökonomie. Dass Schmidt damit die Güter seines Unternehmens als Leistungsgrundlage der neuen Ökonomie anpreist, sich gleichermaßen als Fundament der kommenden Gesellschaft ins Spiel bringt, steht zwischen den Zeilen. Es verstehe sich, wie vieles, was Schmidt als Revolution ankündigt, aber allenfalls in Halbsätzen abhandelt, von selbst.

          Das Internet-Jahrhundert ist da, so lautet die zentrale Botschaft des Buches. Google, das Unternehmen, das sich im vergangenen Jahrzehnt gern mit dem Internet verwechselte, verkauft sich für das nächste Jahrhundert als Verwechslung mit der Gesellschaft. Und so hat auch Industrielobbyist Schmidt am Ende politische Forderungen: Da sich die großen Probleme nur mit Informationen, also Daten, lösen lassen, müsse die Politik Innovationen forcieren, die den freien Strom der Daten förderten. Außerdem brauche Amerika mehr qualifizierte Einwanderer.

          Und vielleicht, hofft Schmidt im letzten Satz, ist unter ihnen ein „smart creative“, der sein Buch beherzigt und es schafft, Google zu übertrumpfen. Von allen Prinzipien der industriellen Marktwirtschaft lässt Schmidt nur den Wettbewerb gewähren. Als Quelle der Inspiration.

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