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Auftakt der lit.Cologne : Kermani fordert: Isoliert das Regime in Iran

  • -Aktualisiert am

Navid Kermani bei der Auftaktveranstaltung der lit.cologne Bild: Imago

„Achtung, iranische Propaganda!“, warnten Demonstranten vor Beginn der lit.Cologne. Doch die verneigt sich loyal vor der Widerstandsbewegung in Iran.

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          Man sage nicht, Literaturfestivals hätten keine Auswirkungen. Im vergangenen Jahr sorgte die Auftaktveranstaltung der lit.Cologne zum Ukrainekrieg – auf der Deniz Yücel die Einrichtung einer Flugverbotszone über dem angegriffenen Land gefordert hatte – für die Spaltung des deutschen PEN. Nun hat das mit 100.000 angepeilten Besuchern wieder fast auf Vor-Pandemie-Niveau angelangte Festival abermals mit einer wuchtig inszenierten Solidaritätsveranstaltung begonnen: „Frau, Leben, Freiheit“, gewidmet der Widerstandsbewegung in Iran; der Erlös geht an Amnesty International.

          Die Spaltung war da aber schon existent, denn kaum eine Diaspora dürfte so zerstritten sein wie die iranischstämmige, auch das wohl eine Folge des langen Martyriums der iranischen Gesellschaft. Regimenähe werfen die Akteure einander gern wechselseitig vor. So kursierte schon vor der Veranstaltung ein offener Brief, der von der lit.Cologne forderte, Azadeh Zamirirad, Iranforscherin und stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, wieder auszuladen, weil diese „eine der Lieblingsfiguren der Islamischen Republik“ sei. Lange habe sie sich lediglich für Reformen stark­gemacht; inzwischen aber spreche sie sich gegen die Listung der Revolutionsgarden als Terrorgruppierung aus.

          Proteste vor dem Eingang

          Vor dem Eingang demonstrierten Kritiker; „Achtung, ira­nische Propaganda!“, stand auf ihren Plakaten. Die Journalistin Ferdos Forudastan, die den Abend leitete, wies diese An­würfe zurück: Es sei niemand ein­geladen worden, „der dem iranischen Regime nahesteht oder Propaganda in seinem Sinne betreibt“; dies zu behaupten sei „einfach unwahr“. Auch Rainer Osnowski, Geschäftsführer der lit.Co­logne, sah im Gespräch mit der F.A.Z. am Rande der Veranstaltung keinen Anlass, an Frau Zamirirads „Loyalität mit der Widerstandsbewegung zu zweifeln“. In der Tat war man sich auf der Bühne einig bei der Verurteilung des iranischen Regimes. Es könne, hieß es unisono, seine alte Macht nach dem jüngsten „Dammbruch“ nicht zurückerlangen, auch nicht durch Terror, der nun sogar – kann man tiefer sinken? – die Vergiftung wehrloser Schülerinnen einschließt.

          „Frau, Leben, Freiheit“ lautete das Motto der Auftaktveranstaltung zur diesjährigen lit.Cologne. Dabei traten auf (von links) Eva Mattes, Ferdos Fourdastan, Asal Dardan, Azadeh Zamirirad und Isabel Schayani.
          „Frau, Leben, Freiheit“ lautete das Motto der Auftaktveranstaltung zur diesjährigen lit.Cologne. Dabei traten auf (von links) Eva Mattes, Ferdos Fourdastan, Asal Dardan, Azadeh Zamirirad und Isabel Schayani. : Bild: dpa

          Die Veranstaltung fand im Kölner Sartory-Saal statt, dem sich in seiner verblassten Größe und U-Bahn-Passagen-Optik des Foyers selbst ein iranisches Flair attestieren ließe. Zunächst las Eva Mattes einige literarische Auszüge. Mehrfach wurde betont, dass Navid Kermani an der Auswahl dieser Texte beteiligt war. Zugleich stammte der eindrücklichste von ihm selbst, ein Kapitel aus seinem „Totenbuch – Dein Name“ (2011), das von der öffentlichen Hinrichtung von Madjid und Hossein Ka­wussifar in Teheran im Jahr 2007 handelt. Gemeinsam sollen sie einen der berüchtigtsten Juristen des Landes er­mordet haben. Kermani geht es vor allem um die Bilder dieser Hinrichtung, denn auf einem davon lacht Madjid, dem ein Strick um den Hals liegt, seinen Henkern ins Gesicht. Und indem dieses Bild riesig auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert wurde, fand eine leicht gruselige Verschiebung statt: Das Publikum des Festivals überlagerte sich mit dem Publikum der Hinrichtung, teilte dessen Blick. Es erwiderte gewisser­maßen das mutige, bei allem Schmerz hoffnungsvolle Lachen des „Märtyrers“ Madjid Kawussifar.

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