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Neuer Roman von Juli Zeh : Herumliegende Bücher sind verstörend

Simon Urban und Juli Zeh haben gemeinsam einen Roman geschrieben, in dem ein Mann und eine Frau einander Briefe schreiben. Wer was geschrieben hat, behielten sie auch bei der Buchvorstellung im Großen Sendesaal des RBB am 27. Januar 2023 für sich. Bild: dpa

Ein Zeitroman, der schon an der Nachbildung des Zeitgefühls scheitert: „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban.

          6 Min.

          An Fans von Juli Zeh herrscht kein Mangel, und doch bewegt sich die Zahl der bei www.fanfiktion.de eingestellten Fortschreibungen ihrer Bücher einst­weilen noch im niedrigen einstelligen Bereich. Zu „Zwischen Welten“, Zehs jüngstem Roman, den sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Simon Urban verfasst hat, wünscht man sich ein Seitenstück in Gestalt einer fiktiven Besprechung aus der Feder von Dr. Renate „Reni“ Werner. Sie ist eine Neben- oder eher Hintergrundfigur des Romans, eigentlich nur ein hingekritzelter Name auf der Potemkinschen Wand der biographischen Kulisse, vor der Zeh und Urban ihre Protagonisten postieren. Aber die, wie es scheint, achtlos erfundene Renate Werner wäre unzweifelhaft kompetent für die Abfassung einer Rezension, was die Form angeht ebenso wie den Stoff. Sie könnte was erzählen!

          Patrick Bahners
          Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

          Denn in einem Seminar zur Erzähltheorie, das Frau Dr. Werner an der Universität Münster abhielt, begegneten sich um die Jahrtausendwende Theresa Kallis und Stefan Jordan, die in der Gegenwart des Romans, den neun Monaten zwischen dem 5. Januar und dem 4. Oktober 2022, erleben müssen, dass ihre Existenzen als brandenburgische Biobäuerin und hansestädtischer Kulturjournalist mitsamt den zugehörigen sozialen Welten zerbrechen, was sie in ausführlichen Briefen aneinander verarbeiten, verschickt und abgespeichert mittels der Formulare von E-Mail-Programmen und Messenger-Diensten. Der loyale Zeh-Fan, der sich unsere ausgedachte Schreibaufgabe vornähme, geriete gemeinsam mit der mutmaßlich um die verdiente Professur betrogenen Erzähltheorie-Spezialistin unweigerlich in einen Ge­wissenskonflikt: Renate Werner müsste bekennen, dass sie gescheitert ist und die beiden durchaus eifrigen Studenten mit einer in ihrer Studienzeit schon etwas altmodischen Vorliebe für Martin Walser in ihrem Seminar nichts über Erzähltheorie gelernt oder jedenfalls in der Zwischenzeit alles vergessen haben. Mit ergebener Fan-Phantasie ließe sich die mit diesem Befund konfrontierte Rezensentin als komische oder tragische Figur ausgestalten, und das Ergebnis könnte lustiger und rührender sein als alle Charaktermasken und Schicksalspuppen des Romanpersonals zusammen.

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