Zum Tod von Peter Urban : Purist der Sprachmusik
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Peter Urban, 16. Juli 1941 bis 9. Dezember 2013 Bild: dpa
Vor jeder Übersetzung lese er sich in seinen Autor hinein, bis er sich in ihm zu Hause fühle, hat Peter Urban einmal bekannt. Zum Tod des Autors und Übersetzers, der den Deutschen „ihren“ modernen Tschechow gab.
Er gab den Deutschen „ihren“ modernen Tschechow und ermöglichte es erst, dass der russische Meister der Menschenschilderung zu einem der hierzulande meistgespielten Dramatiker wurde. Peter Urban, dem wir kongeniale Übertragungen und Entdeckungen russischer sowie serbischer Lyriker und Prosadichter des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts verdanken, baute sich aus fremden Sprachen sein Heim. Er wollte aber auch das deutsche Publikum lehren, das unverdaulich Fremde literarisch zu goutieren. Urban war der Pionier jener Übersetzerbewegung, die Puschkin nur als Puskin, Dostojewski als Dostoevskij und Tschechow als Čechov gelten lässt, auch wenn das der deutschen Sprache ein wenig Gewalt antut.
Peter Urban kam 1941 in Berlin zur Welt, der Vater fiel im Krieg. Mit sechzehn floh er mit Mutter und Bruder aus Halle nach Bayern, kam in ein erzkatholisches Landschulheim und machte dort die russische Literatur zu seinem Refugium. Der Slawistikstudent verbrachte ein Jahr in Belgrad, wo er Gedichte von Vasko Popa und Miodrag Pavlović übersetzte und als Suhrkamp-Lektor Letzteren bald auch herausbrachte. Urbans Lebensaufgabe wurde, russischen Klassikern, ob Alexander Gribojedow, Iwan Turgenjew oder Nikolai Gogol, die von früheren Übersetzern bis zur Unkenntlichkeit „verschönert“ wurden, eine ihrer originalen Diktion und Sprachmelodie treue deutsche Stimme zu verleihen. Außerdem machte er den deutschen Leser mit wichtigen Figuren des zwanzigsten Jahrhunderts, den absurden sowjetrussischen Minimalisten - von Daniil Charms, über Leonid Dobytschin bis zu Venedikt Jerofejew -, überhaupt erst bekannt.
Vor jeder Übersetzung lese er sich in seinen Autor hinein, bis er sich in ihm zu Hause fühle, hat Urban bekannt, der durch seine akribischen Anmerkungsapparate aber auch seine Leser in diese Welt eindringen lässt. Sein physisches Zuhause fand Urban im Vogelsberg im hessischen Sibirien, wo er jetzt, mit 72 Jahren, starb.