Singend auf dem Totenbett
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Feuerkopf der Künste: Der vielfach begabte Autor im Selbstporträt Bild: Staatliche Museen zu Berlin
Wenn wir uns selbst begegnen, brauchen wir ein gutes Gesprächsthema, sonst wird es gruselig: Vor zweihundert Jahren starb der Musiker, Zeichner, Jurist und Autor E. T. A. Hoffmann.
Zu seinem letzten Geburtstag, dem 24. Januar 1822, waren die alten Freunde in die Wohnung am Gendarmenmarkt gekommen, ins Eckhaus Taubenstraße/Charlottenstraße, auf eine Feier, die schön war, aber nicht ganz so munter wie sonst – der Jubilar trank Wasser statt Wein, er blieb auch den Abend über in seinem Lehnstuhl sitzen, statt wie sonst „mit der unermüdlichsten Beweglichkeit den Tisch“ zu umkreisen, „um einzuschenken und die Unterhaltung anzufachen, wo sie stockte“. Nur als die Rede, warum auch immer, auf den Tod kam, rief der Gastgeber erregt: „Nein, nein, leben, leben, nur leben, – unter welcher Bedingung es auch sein möge!“
In den Worten des nun 46 Jahre alten E. T. A. Hoffmann lag, wie sein Biograph Julius Eduard Hitzig schreibt, für die Anwesenden „etwas Entsetzliches“, und in der Folge zeigte sich, wie ernst sich die Frage stellte, was der zunehmend Gelähmte – Hitzig sieht darin die Folgen einer Syphilisinfektion in jungen Jahren – bereit ist, zu ertragen, um noch etwas länger da zu sein. Etwa völlig auf Betreuung angewiesen zu sein und sich von seinem Stiefelputzer „mit nervigen Fäusten ins Bad“ werfen zu lassen, so, „wie man ein Stück Holz ins Wasser schleudert“, schreibt Hitzig. Oder die brachiale Tortur seines Rückgrats mit einem glühenden Stück Eisen, von der Hitzig der Geruch nach verbranntem Fleisch in Erinnerung bleibt – die erhoffte Stimulation des Rumpfes stellt sich dagegen nicht ein. Hoffmann blieb zurückgeworfen auf die Wohnung und darauf, seine letzten Texte zu diktieren, als er schon keinen Finger mehr rühren konnte und seine Artikulation durch den Verlust einiger Zähne unsicher geworden war.
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