So macht Antifaschismus Spaß
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Götz Aly, 2019 beim Deutschen Archivtag in Suhl Bild: Picture Alliance
„Unser Nationalsozialismus“: Der Titel von Götz Alys neuem Buch hört sich nicht lustig an. Bei der Berliner Buchvorstellung mit Jens Bisky gab es dennoch allerhand zu lachen.
Am Ende möchte Götz Aly noch die Geschichte von Onkel Otto vorlesen, ein Kapitel seines neuen, aus Reden und Aufsätzen zusammengestellten, wieder bei S. Fischer erschienenen Buches mit dem Titel „Unser Nationalsozialismus“, das er im Gespräch mit Jens Bisky im Pfefferberg Theater im Prenzlauer Berg vorstellt. Onkel Otto, „ein wirklicher Onkel“, lebte in Berlin, war „bekennender Homosexueller und der Wehrmacht wirklich zu schwul, um in den Ehrendienst dort aufgenommen zu werden“. Buchhändler von Beruf, konnte er zunächst aus dem nationalsozialistischen Deutschland „fliehen“, wie der Neffe emphatisch deutend sagt, ohne freilich dauerhaft im Ausland zu bleiben: Als Bordbuchhändler auf den Schnelldampfern Columbus und Bremen reiste er um die Welt. Mehrfach vorbestraft „wegen Hundertfünfundsiebzigereien“, kam er gleichwohl nicht ins KZ. „Uniformierte fand er besonders gut“, und in seinem Nachlass, den er unter Umgehung der Schwester dem Neffen vermachte, liegt neben Hochzeitfotos „mit abgeschnittenen Bräuten“ Liebespost aus Warschau.
Keiner seiner Briefe verwendet die Grußformel „Heil Hitler!“, auch das Versetzungsgesuch nicht, das er als dienstverpflichteter Maschinenarbeiter einer Osram-Fabrik im März 1944 aufsetzte: „Leider ist es mir trotz meiner Bemühungen nicht möglich, mich mit der zugewiesenen Arbeit zu befreunden.“ Deshalb bat er, „wieder in eine Buchhandlung versetzt zu werden“, um in seinem „erlernten Beruf an entscheidender Stelle für den Sieg mitzuwirken“. Im ausverkauften Theater löst die Verlesung des Gesuchs Gelächter aus, und Aly kommentiert: „Ja, das ist auch eine Form von Antifaschismus!“
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