Tommy Jauds neuer Roman : Dummheit schützt vor Kasse nicht
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Aus dem Stand an die Spitze der Bestsellerliste: Tommy Jauds Comedy-Roman „Hummeldumm” Bild: Scherz
Verkauft sich wie geschnitten Brot mit hohem Vollidiotenanteil: „Hummeldumm“, die Fernreisensatire des früheren Gagschreibers Tommy Jaud, führt die Bestsellerliste an. Warum nur?
Als im Frankfurter Hauptbahnhof vor wenigen Tagen das neue Buch von Tommy Jaud plakatiert wurde, ahnte man schon, was folgen würde. Das Werk würde nach Erscheinen in den Bahnhofsbuchhandlungen zu Türmen aufgeschichtet werden, diese würden beharrlich schrumpfen und eine Woche später würde „Hummeldumm“ an der Spitze der Bestsellerlisten stehen. So geschah es dann auch.
Fremd wirkte das Plakat mit seiner knallorangen Grundfarbe an den Wänden des öffentlichen Raums, wo sonst meist dezente Bilder junger Musikerinnen prangen, und doch verwies das Motiv - ein Erdmännchen in einem Wanderschuh, daneben der Buchtitel „Hummeldumm“ - auf ein Hauptthema der aktuellen Büchersaison: die Dummheit.
Landplage der Dummheit
Das Erdmännchen, das dann auch das Buchcover zierte, kann dabei als heimliches Leitmotiv der Frühjahrsbelletristik gelesen werden. Begegnete es uns doch schon in dem gerade von den Bestsellerspitzenplätzen verdrängten „Axolotl Roadkill“, in dem es in routiniert dekadenter Unkorrektheit über die hyperaktiven gedächtnisschwachen Scharrtiere heißt: „Ja, diese Scheißerdmännchen sehen leider Gottes auch echt so unglaublich bescheuert aus, die haben irgendwie nichts anderes verdient, als gefressen zu werden“. Auch bei Jaud sind die Erdmännchen keine Leuchten, werden aber gerade deshalb im Handlungsverlauf gebraucht; einem von ihnen ist das Buch sogar gewidmet.
Es gibt also wenigstens drei Möglichkeiten, sich in einem Bestseller des Jahres 2010 zu der angeblich verbreiteten Landplage der Dummheit zu stellen. Entweder man lehnt sie vehement und mit erhobenem Zeigefinger ab („Seichtgebiete“, „Die verblödete Republik“), wünscht ihr tabubrüchig die Ausrottung (Hegemann), oder umarmt sie als Pointengeber (Jaud), unter gelegentlichem Einsatz distanzierender Gesten.
Macht was mit Computer
Nur zu einem, und sei es vergifteten, Lob der Torheit im Stile eines Erasmus von Rotterdam kann sich heute offenbar niemand mehr durchringen. Dabei wäre das zeitgemäßer als alles andere - lebt doch zum Beispiel ein Großteil der erfolgreichen Comedy-Industrie unserer Tage, zu der auch Tommy Jaud als früherer Gag-Schreiber Harald Schmidts, Autor der Sat.1-“Wochenshow“ und kreativer Kopf der Serie „Ladykracher“ gehörte, offenbar recht kommod von ihr - man denke nur an Mario Barth, der sich mit großem Erfolg über die Dummheit seiner Freundin auslässt, an Cindy aus Marzahn, die die trotzige Borniertheit von Hartz-IV-Empfängern karikiert oder all die Fernsehsendungen, die sich über die Dummheiten anderer Fernsehsendungen mokieren. Wohinter im Grunde nur eine modernisierte Form der Beutelschneiderei steckt, bei der der werberelevante Kunde mit der wohlfeilen Ware Dummheit abgespeist und somit seinerseits für dumm verkauft wird.
Die Dummenhatz, die niemanden schlauer macht, schafft Gemeinschaftserlebnisse von seltener Eintracht und ermöglicht es somit auch der deutschen Unterhaltungskultur, mehr und mehr den Buchmarkt zu fluten. Davon profitierte Tommy Jaud schon mit seinem Roman-Erstling „Vollidiot“ und den Nachfolgern „Resturlaub“ und „Millionär“ - allesamt Bücher von bescheidenem literarischen Niveau.
Und das muss man leider auch gleich den ersten Seiten des neuen Buchs bescheinigen: Ein junger Kölner, der in Frankfurt beruflich „irgendwas mit Computer“ macht, sitzt im Flugzeug nach Namibia, stößt „mit knirschenden Plastikbechern“ (kann Plastik knirschen?) mit seiner Freundin auf den gerade abgeschlossenen Mietvertrag für die neue Traumwohnung an und weiß, wie im Anfangskapitel in einem komplett überdehnten Spannungsbogen gleich mehrfach betont wird, noch nicht, was ihm blüht. Konkret ist das eine blind gebuchte Gruppenreise in Gesellschaft von wanderwilligen Kampfrentnern, Wetterfeen, Fitness-Ossis und anderen Knallchargen, die verschiedener deutscher Dialekte mächtig sind und eine - hauptsächlich durch Bustransfers geprägte - Rundreise durch das frühere Deutsch-Südwestafrika mit ihrem Gemecker und ihren dummen Fragen zur Fahrt in die Abgründe des Bildungspessimismus verwandeln.