Wie ist es, heute jung zu sein?
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Erbarmungslos und voller Optimismus: Sally Rooney. Bild: Picture-Alliance
Sanfte Revolutionärin: Die irische Autorin Sally Rooney seziert hellsichtig ihre Generation. Und findet auf eine niederschmetternde Diagnose eine hoffnungsvolle Antwort.
Das sechs Jahre alte Youtube-Video „Manchester EUDC 13 Open Final“, zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Textes mehr als achtzehntausend Mal angesehen, zeigt in miserabel aufgelösten, zeitweise unterbrochenen Bildern die Endrunde der European University Student Championships, dem wichtigsten studentischen Debattierturnier Europas. Jungen Männern und Frauen dabei zuzusehen, wie sie in schlecht sitzender formeller Kleidung über die Sinnhaftigkeit eines Tests diskutieren, der Wähler auf zeitgeschichtliches Wissen prüfen und ihren Stimmen je nach Abschneiden mehr oder weniger Gewicht verleihen soll, bedeutet, sich auf genau die seltsam berauschende Weise zu langweilen, die sich unverkennbar anfühlt wie die Gegenwart – einer Gegenwart, in der Menschen ihre begrenzte Zeit auf diesem Planeten regelmäßig damit verbringen, im grenzenlosen Raum des Internets Fremden dabei zuzusehen, wie sie die Henkersmahlzeiten berühmter Serienmörder verkosten, oder stundenlang in absoluter Stille lernen.
Nach vierundzwanzig Minuten aber scheint sich etwas an der molekularen Struktur des Raumes zu verändern, als eine zweiundzwanzigjährige Literaturstudentin namens Sally Rooney sich auf den Weg zum Podium begibt, wo sie dann, in Agilität und Gnadenlosigkeit an eine blutrünstige Eiskunstläuferin erinnernd, sieben Minuten lang eine argumentative Mittelmäßigkeit ihrer Vorredner nach der anderen zugrunde richtet: Es sei unmöglich, einen Sexisten oder Rassisten mit in Tests leicht abzufragenden Fakten umzustimmen, denn die Gleichwertigkeit aller Menschen sei kein Fakt, sondern eine axiomatische Ansicht; wenn Menschen scheinbar wider ihre eigenen Interessen wählten, sei dies nicht unbedingt ignorant, sondern zunächst einmal eine legitime politische Position; und wenn ein solcher Test ohnehin nur dazu gedacht sei, liberale Werte zu belohnen, dann sei das „unglaublich unfair, denn ich glaube, dass auch Konservative wählen dürfen sollten.“
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