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Zum Tod von Erwin Riess : Aus erzwungener Untersicht

Erwin Riess, 1957 bis 2023 Bild: Alexander Golser

Witz und Biss waren seine Waffen im Kampf gegen die Arroganz gegenüber den Nöten von Behinderten: Mit dem Detektiv Groll schuf er eine erfolgreiche Krimireihe, deren Hauptfigur im Rollstuhl sitzt. Jetzt ist der österreichische Schriftsteller und Aktivist Erwin Riess gestorben.

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          Er war eine österreichische Institution, und wie es sich für eine solche gehört, war er Österreich meist gram. „Groll“ hieß denn auch die Hauptfigur der Krimireihe, die Erwin Riess seit 1996 verfasst hat, und in diesem Groll fand sich einiges von dessen Verfasser wieder: vor allem der jeweilige Blick auf die Welt aus erzwungener Untersicht, denn Groll ist Rollstuhlfahrer, wie auch Riess es war. Dazu war der 1957 in Wien geborene Schriftsteller mit Mitte zwanzig krankheitsbedingt ge­worden, aber er münzte den Zorn über diesen Schicksalsschlag um in Wut auf eine Gesellschaft, die sich ungeachtet aller Beteuerungen nicht um die Belange von Behinderten schert.

          Andreas Platthaus
          Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

          Ein Jahrzehnt lang machte er diese Wut fruchtbar als Aktivist und wissenschaftlicher Referent für be­hindertengerechtes Bauen im österreichischen Wirtschaftsministerium. Dann wurde er freier Autor, und als solcher nahm er sich die Freiheit heraus, sein Engagement auf unterschiedlichsten Ebenen fortzusetzen: mit der erfolgreichen Krimireihe, in Essays (Riess war stu­dierter Politologe), Theaterstücken (er war auch studierter Theaterwissenschaftler), vor allem aber mit Biss und Witz.

          Bei publizistischen Spitzen war er spitze

          Sein letzter publizierter Text ist erst wenige Tage alt: ein ganzes Heft der nach dem Vorbild der „Fackel“ von Karl Kraus gestalteten Zeitschrift „Die Sichel“, heraus­gegeben vom Wiener Kulturzentrum Alte Schmiede. Dafür aktualisierte Riess eine legendäre Schmäh- und Streitschrift: „Austria as it is“ von Carl Anton Postl alias Charles Sealsfield aus dem Jahr 1828. Und natürlich brachte er in diesem Rundumschlag gegen die politischen Zustände in der heutigen Republik auch wieder diverse Spitzen gegen die dortige Missachtung der Lage behinderter Menschen unter.

          Am 21. April hätte er dieses bitterböse Virtuosenstück in der Alten Schmiede selbst vorstellen sollen, im dortigen monatlichen Freitags­gespräch, und es wäre ein Fest geworden. Doch vier Wochen davor, in der Nacht auf vergangenen Samstag, ist Erwin Riess gestorben, sechsundsechzig Jahre alt und so jung in Spott und Zorn wie wenige andere.

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