Schriftstellerin Nora Roberts : Porno der Herzen
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Nora Roberts in ihrer Heimat Maryland Bild: Polaris /Studio X
Ihre Liebesromane verkauften sich 500 Millionen Mal; für ein Buch braucht sie nur 45 Tage. Jetzt sind wieder zwei fertig. Wie macht sie das? Über das Rätsel Nora Roberts.
Wer die Liebe sucht, der muss aufs Land ziehen. „In dem romantischen, aber verfallenen Landhaus ihrer Großmutter will Cilla McGowan sich ein neues Leben aufbauen“, heißt es dann im Klappentext. Oder: „Die junge Künstlerin Sasha Riggs lebt zurückgezogen in einem kleinen Haus in North Carolina.“ Dort wird es auch endlich was mit dem temperamentvollen Kunsthändler oder dem familienorientierten Anwalt. Etwa zweihundert Cillas und Sashas hat Nora Roberts auf diese Weise bereits an den Mann gebracht. Alleine in Deutschland verkauften sich ihre Romane 25 Millionen Mal, der weltweite Absatz wird auf 500 Millionen geschätzt. Die fünfundsechzig Jahre alte Amerikanerin ist der Star eines Buchmarktes, der nicht um literarische Anerkennung buhlt und trotzdem oder gerade deshalb immense Umsätze macht. Bei Nora Roberts spielen sprachliche Brillanz oder Originalität keine Rolle. Ihr Geheimnis heißt Zuverlässigkeit.
Deshalb schickt sie jeder ihrer Heldinnen, nachdem die Leser sie ein bisschen kennenlernen durften, einen passenden Mann über den Weg, der auf den ersten Blick nicht passend wirkt. Zumindest für die Heldin, die sowieso keine Beziehung möchte, den Mann spontan abscheulich findet oder gerade ganz andere Sorgen hat. So wie Shelby aus dem neuesten Werk „Ein Leuchten im Sturm“, das am Montag erscheint: „Erst nach dem Tod ihres Mannes findet Shelby heraus, dass Richard sie eiskalt belogen hat.“ Deshalb zieht sie mit ihrer kleinen Tochter zu ihrer Familie (aufs Land, natürlich, nach Tennessee) und trifft Griffin, dem sie ihr persönliches Chaos nicht zumuten möchte. Dass die beiden einander kriegen, ist klar. Warum liest man diese Bücher dann nur trotzdem bis zum Ende durch?
Nora Roberts’ Geschichten folgen den gleichen Regeln wie alle Hollywood-Liebesgeschichten mit Happy End, sie versieht sie lediglich mit ihren persönlichen Motiven. Irland zum Beispiel, spätestens seit Rosamunde Pilcher ein bewährter Schauplatz für Romanzen. Roberts’ Phantasie beschäftigt eine ganze Armada von Männern mit irischen Wurzeln, die die Heldin „a ghrá“ nennen, „meine Liebste“. Schließlich sind sie meist vom ersten Augenblick an schockverliebt und müssen die Dame für sich gewinnen oder vor Unheil retten. Shelby etwa wird von Unbekannten verfolgt, seit ihr Mann gestorben ist. In solchen Situationen können durchaus Figuren erschossen werden, Liebesroman hin oder her. Nora Roberts ist nicht zimperlich, schließlich schreibt sie unter dem Pseudonym J. D. Robb auch Krimis.
Noch größere Hürden müssen die Liebenden bei den meist in Trilogien verpackten übersinnlichen Geschichten überwinden, eine Spezialität von Roberts. Jüngst erschien „Sternenregen“, der erste Teil einer solchen Trilogie: Drei Göttinnen haben vor Urzeiten Sterne an den Himmel gezaubert, aber eine böse Göttin will sie für sich haben und „die Welt ins Dunkel tauchen“ – was das im Detail heißt, ist den Albträumen der Leser überlassen.
Auf Korfu treffen sich eine Seherin, ein Zauberer und vier weitere Menschen, deren geheime Superkräfte erst nach und nach zum Vorschein kommen, um die Welt zu retten. Wer wen am Ende abbekommen wird, ist offensichtlich. Aber das geschieht hübsch nacheinander – ein Liebespaar pro Fortsetzungsband. Mit dieser Methode bringt Nora Roberts gelegentlich auch drei Brüder oder vier Freundinnen unter die Haube.
Sind die ersten Schwierigkeiten überwunden, kommt es zum Kuss, meist nach einem Drittel des Romans. Aber es ist nicht irgendein Kuss, es ist der Kuss aller Küsse. „Der Kuss war wie Wasser für einen Verdurstenden - reines, süßes Wasser nach einer endlosen Durststrecke. Er trank reichlich davon.“ Sollte noch jemand leise Zweifel daran gehabt haben, dass da zwei füreinander bestimmt sind, räumt der Herzen und Knie erweichende Kuss sie endgültig aus.
Hier könnte das Buch theoretisch schon zu Ende sein. Aber Meg Ryan kriegt Tom Hanks ja auch nie einfach so. Und schon bei Doris Day und Cary Grant schlug an dieser Stelle nach einer kurzen Verschnaufpause stets ein Meteor in die Liebesgeschichte ein. Da tauchen Dämonen aus der Vergangenheit auf, es gibt Loyalitätskonflikte, Notlügen, Bindungsängste. Doch bevor sie sich zum großen Konflikt steigern, geht es bei Nora Roberts erst mal „höher und höher in die Sphären der schieren Fleischeslust, bis sie ihn wie eine Ertrinkende umklammerte und sich von ihm nehmen ließ, wie und auf welche Weise es ihm beliebte“.