Martin Suter im Gespräch : Ein Autor dreht an der Uhr
- Aktualisiert am
Martin Suter Bild: pixsil.com / VISUM
Er ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Jetzt kommt Martin Suters neuer Roman „Die Zeit, die Zeit“ heraus. Zum Interview in Zürich erscheint der Schweizer ohne jede Eile.
Herr Suter, wissen Sie eigentlich, wie viele Exemplare Ihrer Bücher mittlerweile verkauft wurden?
Nein, die Gesamtzahl weiß ich nicht (er wendet sich an Ruth Geiger, die Pressechefin des Diogenes Verlags), weißt du sie?
Geiger: Ja, aber wir verraten sie nicht.
Für Ihren Debütroman „Small World“ von 1997 kursieren Angaben von rund 800.000. Mit den vielen anderen Büchern, die Sie seither veröffentlicht haben, darf man wohl von mehreren Millionen verkauften Büchern ausgehen. Sind Sie davon selbst beeindruckt?
Natürlich. Gerade bei „Small World“ hatten wir nur auf einen Achtungserfolg gehofft, so auf 10.000 verkaufte Exemplare. Aber das ist nicht nur weit übertroffen worden, „Small World“ läuft immer noch.
Erwarten Sie von Ihren Büchern jetzt, dass sie Bestseller werden?
Nein, ich finde, ich gehe mit jedem Buch ein Wagnis ein. Ich überlege mir nicht, warum sich das letzte so gut verkauft hat, und versuche dann, das wieder herzustellen. Ich sag mir immer: Ich darf mir jetzt auch mal einen Flop leisten. Und so schreibe ich.
Was heißt das?
Ich versuche jedes Mal ein Buch zu schreiben, das mir gut gefällt. Damit bin ich immer gut gefahren, weil ich offenbar selbst einen populären Geschmack habe.
Welche Bücher mögen Sie denn?
Mir gefallen Geschichten, ein Buch muss eine Geschichte erzählen. Mir gefällt nicht, wenn der Autor versucht, durch seine Sprachkünste zu beeindrucken. Was mir aber gefällt, das ist, wenn ein Buch eine Struktur hat, wenn ich spüre, das ist komponiert. Und ganz wichtig ist außerdem, dass eine Geschichte ein Geheimnis hat.
Würden Sie Ihre Bücher in diesem Sinn als Krimis bezeichnen?
Nein. Ich habe schon zweimal Krimipreise bekommen, dabei habe ich meiner Meinung nach nur einen geschrieben, nämlich „Ein perfekter Freund“. Für den ich wiederum keinen Krimipreis bekommen habe.
In Ihrem neuen Buch geht es um einen achtzig Jahre alten Mann, Albert Knupp, der glaubt, dass es die Zeit nicht gibt. Er ist der Überzeugung, dass man nur die Veränderungen rückgängig machen muss, um die Zeit zu überlisten und einen bestimmten Moment in der Vergangenheit wiederherzustellen. Bei ihm geht es dabei um einen bestimmten Tag vor zwanzig Jahren, den er noch einmal erleben möchte. Da lebte seine Frau noch, sie will er zurück. Das ist eigentlich ein schöner Gedanke. Woher stammt er?
Es gibt die Theorie, dass die Zeit nicht existiert, vielleicht stimmt sie sogar. Aber die Technik, wie man an einen bestimmten Punkt in der Vergangenheit zurückkehren kann, habe ich mir selbst überlegt. Meine Figur glaubt eben, dass man nicht die Veränderungen im ganzen Universum rückgängig machen muss, um die Zeit zu überwinden, sondern dass es reicht, wenn man nur ein bisschen über seinen Gartenzaun hinausgeht. Das ist das Skurrile an dem Ganzen.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
So wie ich meistens auf Ideen komme. Bei mir ist es so, dass ich mich hinsetzen muss und eine Idee haben will. Die Ideen kommen mir beim systematischen Denken, ich sitze nicht unter einem Feigenbaum und warte, bis mir eine Idee zufliegt. Es ist Arbeit.
Wenn man weiß, dass vor drei Jahren Ihr kleiner Sohn gestorben ist, bekommt diese Thematik, der Wunsch nach einer Rückgängigmachung der Geschehnisse, natürlich eine andere, viel persönlichere Konnotation. Sie haben öfters gesprochen über den Tod Ihres Sohnes . . .
Ich wurde öfters dazu befragt.
Wir müssen nicht darüber sprechen.