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Literaturnobelpreisträger : Dario Fo gestorben

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Dario Fo (24. März 1926 bis 13. Oktober 2016) im Juni 2014 in Rom Bild: Picture-Alliance

Als Dramatiker, Regisseur und Schauspieler nutzte er die schärfsten Mittel des Theaters gegen Politik und Kirche: Der italienische Literaturnobelpreisträger Dario Fo ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

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          Der italienische Dramatiker und Regisseur Dario Fo ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Das bestätigte Mario Pirovano, ein langjähriger Freund Fos, an diesem Donnerstag. Fo war 1997 für seine politische und soziale Theaterarbeit mit dem Literatur-Nobelpreis gewürdigt worden.

          Das Theater verdankt ihm Figuren wie lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde. Fo thematisierte in seinen Werken auch die Mafia, Waffenindustrie oder Umweltsünden. Er war rund vierzig Mal wegen Beleidigung und Verhöhnung der Mächtigen vor Gericht geladen, mehrmals wurde er von der Bühne abgeführt.

          Viele Stücke hatte er mit seiner 2013 gestorbenen Frau Franca Rame geschrieben, weshalb Fo stets von „unserem Nobelpreis“ sprach. Mehr als 30 Werke Fos wurden ins Deutsche übersetzt, darunter „Mistero Buffo“ (1969), „Die offene Zweierbeziehung“ (1983), „Sex? - Aber mit Vergnügen!“ (1994) und „Der Teufel mit den Titten“ (1997).

          Der Widerstandskämpfer als Fallschirmjäger

          Dario Fo wurde am 24. März 1926 in Sangiano bei Varese als Sohn des Bahnhofsvorstehers, Amateurschauspielers und Sozialisten Felice Fo und dessen Frau Pina Rota geboren. Der Großvater, ein Gemüsehändler, war ein bekannter „Fabulatore“, der Dario und seine Geschwister früh mit dem Volkstheater und der Erzähltradition vertraut machte.

          Fos Studium an der Kunsthochschule in Mailand, 1940 aufgenommen, wurde vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Fo half seinem Vater, Flüchtlinge und Deserteure in die Schweiz zu schmuggeln. Einer Rekrutierung durch die faschistische Armee der seit September 1943 noch in Norditalien unter deutscher Protektion fortbestehenden Republik von Saló konnte er sich allerdings nicht entziehen, so dass er noch Mitglied des Fallschirmjäger-Bataillons Azzuro wurde. Nach dem Krieg setzte er sein Studium der Kunst und Architektur fort, ohne es abzuschließen, wandte sich dann jedoch der Theater- und Filmarbeit zu.

          Theater im Supermarkt

          Neben Brotberufen als Dekorateur und Assistent eines Architekten begann Fo, sich in der Bewegung der „piccoli teatri“ zu engagieren und dem Publikum zunächst improvisierte Einpersonenstücke zu präsentieren. 1950 wurde er Mitglied des Theaterensembles von Franco Parenti, mit dem er bis 1954 in Mailand politisch-satirische Revuen schrieb. Ab 1951 arbeitete er als freier Mitarbeiter bei Radio Italiano und debütierte ein Jahr später am Teatro Odeon Mailand als Schauspieler. Nach der Auflösung des Parenti-Ensembles und Misserfolgen als Drehbuchautor und Schauspieler beim Fernsehen RAI schrieb Fo mit seiner Frau Franca Rame ab 1958 volkstümliche Farcen, die meist einen stark satirisch-sozialkritischen Akzent hatten.

          1959 gründete das Paar eine eigene Theatergesellschaft, bei der beide gemeinsam für Text, Regie, Inszenierung, Produktion und Aufführung verantwortlich waren. Die Stücke wurden im Mailänder Piccolo-Theater uraufgeführt und danach auf Tourneen durch ganz Italien gezeigt. Dabei vertrat Fo auch die Idee des „versteckten Theaters“, bei der Stücke ohne Wissen der Zuschauer an alltäglichen Orten wie Supermärkten, Bushaltestellen oder Fußgängerzonen präsentiert werden, um den künstlichen Rahmen des Theaters zu sprengen und die Stücke wieder in die Realität zurückzubringen, aus der sie stammen.

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